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April 2017

Wirft man eine Hand voll Federn in die Luft, so müssen alle nach bestimmten Gesetzen zu Boden fallen; aber wie einfach ist das Problem, wohin eine jede fallen wird, im Vergleich zu der Wirkung und Rückwirkung der zahllosen Pflanzen und Tiere, die im Laufe von Jahrhunderten Arten und Zahlenverhältnis der Bäume bestimmt haben, welche jetzt auf den alten indianischen Ruinen wachsen!“ 1859 von Charles Darwin

 

Meine Passion sind nicht nur Viren und deren Rekombination, sondern auch die Evolution der RNA bzw. DNA im Allgemeinen. Kürzlich stieß ich auf einen Artikel über die unterschätzte Bedeutung der Evolutionsfähigkeit von Krebszellen. Vorher wusste ich nicht, dass Krebszellen nicht immer die gleiche DNA haben. Also ein einziger Mensch mit Krebs hat nicht einen Krebs, sondern verschiedene. So wie wir die Evolution von Viren beeinflussen, indem wir sie bekämpfen, beeinflussen wir auch die Evolution der Krebszellen durch Chemotherapie. Um dies alles etwas zu verdeutlichen habe ich diesen Artikel hier geschrieben.

Evolution

Dieses Wort benutzen wir viel zu oft ohne zu wissen was es bedeutet. Wir denken, dass sich ein Lebewesen irgendwie verändert, um sich neuen Lebensumständen anzupassen. Das stimmt aber so nicht ganz. Die Lebensumstände sind bei den Veränderungen egal. Es ist so, dass sich jede DNA und RNA bei jeder Replikation (Verdopplung) verändert. Also überall wo sich Zellen teilen oder Viren vermehren geschieht eine mehr- oder weniger große Veränderung. Es entsteht also etwas Neues. Es gibt dann mehrere Möglichkeiten:

  • Die Veränderung ist unbedeutend und stört nicht weiter.
  • Die Veränderung macht die Zelle oder das Virus nicht überlebensfähig und sie stirbt ab.
  • Der Organismus sieht, dass mit der Zelle etwas nicht stimmt und tötet sie.
  • Das Neue setzt sich durch und vermehrt sich weiter

Dieser letzte Punkt ist die Stelle an der wir die Evolution unter Umständen bemerken. Dieses Neue, Andere,  kann nun gut sein in speziellen Lebensumständen, oder auch schlecht. Wenn es richtig gut und praktisch ist, wird es sich bei weiteren Nachkommen durchsetzen. Meist aber wird es sich irgendwie in der Population verteilen. Nicht so vorteilhafte Veränderungen werden mit der Zeit wieder verschwinden.

Evolution und Tumor

Bei der Evolution von Krebs vergessen wir jetzt erst mal den Fokus auf das Individuum und sehen nur die einzelnen Zellen. Da Zellen sich ständig teilen, entstehen auch laufend Veränderungen.  Es entstehen also täglich, sogar stündlich, Fehler in unseren Zellen. Die meisten Fehler sind unbedeutend und stören nicht weiter. Diese Veränderungen werden vom Organismus genau beobachtet und bei Bedarf wird die Zelle getötet. Dies ist die Arbeit des Immunsystems.

Hier kommen wir zu Krebs. Ist das Immunsystem gestört und die mutierte Zelle wird nicht erkannt, kann sie sich erneut teilen. Je passender die Veränderungen in der DNA dieser Zelle sind, um so besser kann sie sich ab nun durchsetzen. Wenn nun das Immunsystem nicht eingreift und die Lebensumstände für die veränderte Zelle und ihre Nachkommen gut sind, dann haben wir einen Tumor.

Instabile Chromosomen

Ein Kennzeichen der meisten Tumoren ist die Aneuploidie ihrer Chromosomen. Aneuploidie heißt bei Krebs meist, dass etwas fehlt. Die Chromosomen sind instabil und kritische Gene werden nur noch von der gesunden Kopie des betreffenden Chromosoms kodiert (1).

Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, wie die Chromosomen und auch die Gene anders sein können, als sie eigentlich sein sollten.

Um den Tumor genau zu charakterisieren, untersucht man seine DNA. Das heißt, man sequenziert ihn und schaut wo die Veränderung stattgefunden hat.

Intratumorale Heterogenität oder Evolution im Tumor

Jetzt wissen wir wie eine Krebszelle entsteht. Ein Schlüsselfaktor dafür, dass Krebs tödlich wird, ist die intratumorale Heterogenität und damit das therapeutische Versagen und eine Arzneimittelresistenz. Diese intratumorale Heteroginität ist so bedeutend, dass es sogar ein Wort für sie gibt: ITH (2).

ITH bedeutet, dass es im Tumor unter Umständen nicht nur eine bestimmte Krebszelle und ihre identischen Nachkommen gibt, sondern verschiedene unterschiedliche Zellen. Es konnte durch Sequenzieren festgestellt werden, dass diese Unterschiede in einem einzigen Tumor zwischen 0 und bis zu 8000 verschiedene Veränderungen betragen können (3). Wobei die Art der Krebserkrankung hierbei eine Rolle spielt. So sind Tumore, die durch stark karzinogene Stoffe ausgelöst werden - wie Lungenkrebs von Zigarettenrauch und Hautkrebs durch UV Licht - deutlich heterogener.

Hier sind wir beim Punkt, warum die Evolution von Krebszellen und ihre genaue Charakterisierung so wichtig ist. Am besten erkennt man das Problem an der Chemotherapie.

Chemotherapie bei Krebs

Wir bleiben bei der Fokussierung auf die einzelnen Zellen. Eine Chemotherapie ist im Groben das Abtöten einer Krebszelle. Hierbei wird versucht die Krebszelle an einem verwundbaren Punkt zu treffen, um sie zu töten. Was auch bei Kenntnis der Zelle heutzutage recht gut gelingt.

Bei diesem System kann die intratumorale Heterogenität zu einer selektiven Evolution führen. Wir töten zwar erfolgreich eine Art Krebszellen und ihre Nachkommen, aber wir verschaffen einer gegen die spezielle Chemotherapie unempfindlichen Zelle einen Vorteil.

Es kommt somit zuerst zu einer vermeintlichen Heilung bis die selektierte Zelle sich durchsetzt und es entsteht eine sogenannte Arzneimittelresistenz. Die zuerst erfolgversprechende Chemotherapie wird wirkungslos.

Ein weiteres Problem ist der Zeitpunkt der Entstehung der ITH. Wie weiter oben berichtet, wird die Heterogenität durch Chemikalien angetrieben. So kann man durch eine Chemotherapie Veränderungen in Tumorzellen hervorrufen. Da der Reparatur Mechanismus in der Krebszelle gestört ist, treibt dies weiter aktiv die Evolution an. Ein Beispiel hierfür sind niedrig-maligne Gliome, die als Glioblastome nach der Behandlung mit dem Alkylierungsmittel Temozolomid wiederkehren können (4).

Aus diesen Gründen lässt sich die Heterogenität eines Tumors auch nach einer Biopsie und der Sequenzierung nur schwer abschätzen. Jeder Tumor und seine Metastasen haben eine eigene Geschichte an Veränderungen. Diese Geschichte stellt sozusagen eine historische Aufzeichnung von Veränderungen dar, die sich während der Lebensgeschichte des Tumors und seiner Nachkommen angesammelt haben.

Tumorevolution

“…the fittest will survive, and a race will be eventually produced adapted to the conditions in which it lives” (Alfred Russel Wallace, 1867).

Die mittelbare Umgebung des Tumors ist für die Krebsentwicklung bedeutend. Diese Umgebung wird durch Ressourcenbeschränkungen, Immunabwehr und Nebenwirkungen in Form von Gewebehypoxie, Azidose und Krebstherapeutika beeinflusst. Tumorzellen können ihre eigene Wachstumsumgebung zu ihrem Vorteil verändern und die Tochterzellen vor schädlichen Einflüssen schützen. Daher kann die Krebsentwicklung nicht vollständig verstanden werden, ohne ein detailliertes Verständnis der Auswirkungen vom Mikro-Umwelt-Selektionsdruck zu haben.

Obwohl Heterogenität für die Evolution erforderlich ist, führt die positive Selektion nicht zwangsläufig zur Heterogenität. Es bleibt eine offene Frage, ob unterschiedliche klinische Verhaltensweisen die Tumorentwicklung beeinflussen können, oder ob man mindesten die Fähigkeit entwickeln kann, den nächsten Schritt eines Tumors vorherzusehen.

Die Beobachtung, dass Tumore mit einem extremen Maß an chromosomaler Instabilität mit einer verbesserten Prognose verbunden sind (5), unterstützt die Hypothese, dass es zu einem heiklen Gleichgewicht kommen kann und dass möglicherweise ein starker Selektionsdruck in der Krebsentwicklung für ein "gerechtes" Niveau sorgen kann.

Auch kann das Immunsystem Tumore in einem Gleichgewichtszustand halten. So können Patienten im frühen Stadium von Brustkrebs Tumorzellen im Knochenmark haben, die nicht zu einer metastatischen Erkrankung führen müssen, aber durchaus irgendwann können (6). Andererseits kann die Antwort des Immunsystems auch  Krebszellen geradezu unterstützen.

Vielleicht sollte man sich auch zur Erkenntnis durchringen, dass nicht jeder Krebs heilbar ist, aber man unter Umständen durchaus lange damit leben und alt werden kann.

 

 

 

(1) Singling Out ChromosomeGains in Tumor Evolution. Ryan M. Naylor, Jan M. van Deursen. Cancer Cell (2017).

(2) Clonal Heterogeneity and Tumor Evolution: Past, Present, and the Future. Nicholas McGranahan, Charles Swanton. Cell (2017).

(3) Mutational analysis reveals the origin and therapy-driven evolution of recurrent glioma.
Johnson, B.E., Mazor, T., Hong, C., Barnes, M., Aihara, K., McLean, C.Y., Fouse, S.D., Yamamoto, S., Ueda, H., Tatsuno, K. et al. Science (2014).

(4) Mutational analysis reveals the origin and therapy-driven evolution of recurrent glioma.
Johnson, B.E., Mazor, T., Hong, C., Barnes, M., Aihara, K., McLean, C.Y., Fouse, S.D., Yamamoto, S., Ueda, H., Tatsuno, K. et al. Science (2014).

(5) Pan-cancer analysis of the extent and consequences of intratumor heterogeneity.
Andor, N., Graham, T.A., Jansen, M., Xia, L.C., Aktipis, C.A., Petritsch, C., Ji, H.P., and Maley, C.C.
Nat. Med. (2016).

(6) Tumor cell dissemination to the bone marrow and blood is associated with poor outcome in patients with metastatic breast cancer. Hartkopf, A.D., Stefanescu, D., Wallwiener, M., Hahn, M., Becker, S., Solomayer, E.F., Fehm, T.N., Brucker, S.Y., and Taran, F.A. Breast Cancer Res. Treat. (2014)

 

Januar 2017

Vor nichts haben viele Menschen heute mehr Angst, als an Alzheimer zu erkranken. Deshalb werden Milliarden an Forschungsgeldern in die Erforschung dieser Krankheit gesteckt. Leider zieht viel Geld auch viel Gier und unseriöse Forschung an. Da weite Teile der Forschungslandschaft sich leider nicht durch eine besondere Expertise auszeichnen, sondern von Geld-, Macht- und Ruhmesgier getrieben wird, wird ein sehr großer Teil dieser investierten Gelder verpuffen.

Ein Beispiel für dieses "Geldverbrennen" sind die sinnlosen Tierversuche und die daran verdienende Industrie. Da heute für jede Krankheit ein sogenanntes Tiermodell benötigt wird, wurde sehr viel Geld für unzählige Mausmodelle investiert. So kann man heute durch Genveränderungen bestimmte Proteine, die bei einer Alzheimererkrankung eine Rolle spielen, bei Mäusen abändern (1) oder auch durch das Spritzen der Tiere mit Chemikalien einen Effekt erzielen, der angeblich dem Verhalten bei Alzheimer gleich kommt. Diese Tiermodelle werden meist nicht selbst gezüchtet, sondern bei Charles River Laboratories gekauft. Der Forscher testet dann verschiedene Behandlungsansätze an den genetisch veränderten Mäusen. Falls ein Behandlungsansatz bei der Maus weniger Symptome auslöst, werden Sie dies dann in der Presse lesen.

Natürlich ist keine dieser so künstlich krank gemachten Mäuse auch nur annähernd vergleichbar mit einem Menschen. Man weiß heute noch nicht mal, ob die Plaques im Gehirn nicht doch eher Symptom, als Ursache der Krankheit sind. Aus diesen Gründen gibt es heute sehr viele Ansätze wie man so künstlich krank gemachte Mäuse wieder weniger krank machen kann, allerdings war noch keiner dieser Ansätze auf den Menschen übertragbar.

Deshalb sollte man alle Medienmeldungen über neue Möglichkeiten einer Heilung von Alzheimer sehr kritisch betrachten. Im Normalfall ist dies nur das Ergebnis einer guten Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, die mehr Geld und Ruhm für eine Forschergruppe eintreiben will.

Um einmal zu beleuchten, was heute bekannt ist über die Krankheit, habe ich diesen Artikel hier geschrieben. Der Ansatz soll sich allerdings auf die seriöse Wissenschaft beschränken - oder zumindest ein Versuch sein, das was ich für seriös halte, zusammenzustellen.

Alzheimer Krankheit

Die Alzheimer Krankheit, bzw. Morbus Alzheimer, ist eine Erkrankung des Nervensystems die zum fortschreitenden Verlust von Nervenzellen führt. Das Absterben der Nervenzellen führt zu Bewegungsstörungen und Demenz. Etwa 60% aller Demenzerkrankungen beruhen auf dir Alzheimer Krankheit.

Bei Alzheimer sammeln sich bestimmte, fehlerhafte Proteine im Gehirn an, die dann die sogenannten Plaques bilden. Das gemeinsame Merkmal dieser Proteine ist der Verlust ihrer physiologischen Aktivität und ihre toxischen Eigenschaften. Diese Plaques fördern also die Neurodegeneration, d.h. sie behindern, verdrängen oder vernichten Nervenzellen.

Das Protein "Amyloid-b" wird im allgemeinen als Schlüsselprotein zum Erkennen einer Alzheimer Krankheit angesehen (2), deshalb spricht man von einer Amyloidose oder auch Hirn-Amyloidose.

Ursachen

Die Ursachen der Krankheit sind heute noch nicht bekannt. Als sicher gilt jedoch, dass als Hauptrisiko die genetische Disposition und das Alter die größte Rolle spielen.

Alzheimer Patienten weisen erhöhte Entzündungswerte auf, die sich anhand bestimmter Marker, wie z.B. Interleukin, im Blut messen lassen (3). In einigen Veröffentlichungen wird vorgeschlagen, dass bakterielle Endotoxine eine wichtige Rolle in den entzündlichen und pathologischen Prozessen spielen können, die mit Amyloidose und Alzheimer assoziiert sind (3, 4, 5).

Da Bevölkerungsgruppen, die unter Folgekrankheiten einer falschen Ernährung in Verbindung mit zu wenig Bewegung, am häufigsten unter Alzheimer leiden, geht man davon aus, dass Alzheimer das Resultat von Entzündungsreaktionen ist. Wie weit an diesen Entzündungsreaktionen das Mikrobiom beteiligt ist wird momentan eingehend untersucht (3). Unter Mikrobiom versteht man alle Mikroorganismen in und auf einem Menschen, siehe Mikrobiom und Vagusnerv  oder Mikrobiom und Phageom.

Viele natürlich vorkommende und synthetisierte Chemikalien wie Schwermetalle, Pestizide, Bakterizide und Lösungsmittel sind oxidative Stressfaktoren und damit potentielle Initiatoren von Alzheimer (6). Auch hier soll die Krankheit durch eine neuroinflammatorische (Entzündungen der Nerven) Signalkaskade ausgelöst werden können (6).

Hirnentzündungen sind aber auch eine häufige Folge von mechanischen Verletzungen wie Trauma und Schlaganfall. So konnte in epidemiologischen Studien ein erhöhtes Risiko von Alzheimer bei traumatischen Kopfverletzungen nachgewiesen werden (6).

Entzündungsreaktionen können aber auch durch lange zurück liegende, oder auch unbekannte, Infekte entstanden sein.

Mikrobiom

Eine neuere Studie von 2017 berichtet, dass Probanden mit kognitiver Beeinträchtigung und Hirn-Amyloidose weniger Bakterien der entzündungshemmenden Eubacterium rectale und dafür mehr der entzündungsfördernden Escherichia  und Shigella in ihrem Stuhl hatten (3). Die Autoren legen nahe, dass die Entzündungsreaktionen der Patienten nicht nur durch bakterielle Abbauprodukte entstehen, sondern auch, dass eine entzündungsinduzierte Fehlfaltung der Proteine ausgelöst wird (3).

Abbildung:
Darm-Hirn-Achse und die Wirkung von Bakterien produzierten Toxine zu Beginn der Alzheimer Krankheit (7).

Das Darmmikrobiom kann hohe Mengen an amyloidverstärkenden Faktoren freisetzen und die Konzentration von proinflammatorischen Zytokinen erhöhen. Leukozyten und Amyloidproteine können aufgrund der veränderten Expression von RAGE und LRP-1-Rezeptoren leichter die Blut-Hirn-Schranke überwinden, was zur Neuroinflammation beiträgt. Darüber hinaus können Zytokine sowohl den Magen-Darm-Trakt, als auch die Blut-Hirn-Schranke (beide werden mit dem Alter mehr durchlässig) passieren, so dass sie in das Zentrale Nervensystem eintreten und bestimmte Faktoren (TLR2 / 1-, CD14, Gliareaktivität, iNOS) erhöhen können. Durch eine Erhöhung an reaktivem Sauerstoff wird miRNA34a hochreguliert, was eine Herabregulation von TREM2 und folglich eine Anreicherung von Ab42-Peptiden und eine Verringerung der Phagozytose, also der Müllabfuhr in der Zelle, bewirkt. Störungen der Darmmikrobiota können auch zu einer Beeinträchtigung der GABA-Bildung, Akkumulation des Neurotoxins BMAA, eine Zunahme von Lipocalin-2 (einem Darmadipokin, das mit einer Entzündung und Insulinresistenz assoziiert ist) und Abnahme von SCFAs (die Glukose-Homöostase und Insulinsensitivität modulieren), führen. Als Folge davon wird die Signalgebung von GABA, BDNF und NMDA gestört, die Glucose-Homöostase wird beeinträchtigt und die Insulinsensitivität wird verringert. Außerdem wurden bestimmte Bakterien in der Nähe von oder innerhalb von Erythrozyten und in der Nähe von Leukozyten in Blutproben von Alzheimer-Patienten gefunden. (7)

Phagozytose

Phagosome sind Teile sogenannter "Fresszellen", die verschiedene Partikel im Körper abbauen und enzymatisch verdauen. Mit Phagozytose bezeichnet man also die Müllabfuhr im Körper. Ist die Phagozytose gestört, kommt es zu einer Anreicherung von fehlerhaften Proteinen. Durch die Ernährung und auch durch Fasten kann man die Phagozytose beeinflussen.

Diskussion

Durch die neuen und relativ billigen Sequenziertechniken wird man hoffentlich in naher Zukunft das gesamte Mikrobiom, inklusive des Phageoms, untersuchen.  Diese Daten, zusammen mit den Ernährungsgewohnheiten der Menschen, könnten sehr viel Aufschluss über die Krankheit geben.

Auf jeden Fall kann man sagen, dass neben Verletzungen im Gehirn auch der Lebensstil und vor allem die Ernährung in Verbindung mit der genetischen Disposition, eine große Rolle spielt.

 

(1) Using mice to model Alzheimer's dementia: an overview of the clinical disease and the preclinical behavioral changes in 10 mouse models. Scott J. Webster et al. Frontiers in Genetics (2014)

(2) Cerebral amyloid PET imaging in Alzheimer’s disease. Jack et.al. Acta Neuropathol. (2013)

(3) Association of brain amyloidosis with pro-inflammatory gut bacterial taxa and peripheral inflammation markers in cognitively impaired elderly. A. Cattaneo et al. Neurobiology of Aging (2017)

(4) Can a bacterial endotoxin be a key factor in the kinetics of amyloid fibril formation? Asti und Gioglio. Journal of Alzheimer's Disease ( (2014)

(5) Inhibition of IL-12/IL-23 signaling reduces Alzheimer's disease-like pathology and cognitive decline. Vom Berg et al.  Nat. Med. (2012)

(6) Biotic/Abiotic Stress-Driven Alzheimer's Disease. Chang-Qing Li et. al. Front. Cell. Neurosci. (2016)

(7) Role of gut microbiota and nutrients in amyloid formation and pathogenesis of Alzheimer disease. Francesca Pistollato, Sandra Sumalla Cano, Inaki Elio, Manuel Masias Vergara, Francesca Giampieri, Maurizio Battino. Nutr Rev. (2016)

Text und Fotos dürfen unter den Bedingungen der Creative Commons Attribution Share-Alike license (CC-BY-SA) gerne ganz oder teilweise kopiert und zitiert werden.

 

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Dezember 2016

Am 13. November 2016 kam in der Welt am Sonntag unter der Rubrik Wirtschaft der Artikel "Leben hat seinen Preis" von Anette Dowideit. Der Artikel geht um die Behandlung von Krebs, insbesondere um die Behandlung von Eierstockkrebs, Brustkrebs, Leukämie und von Glioblastomen (Hirntumoren) mit Methadon. Es werden viele Einzelfälle aufgelistet und es wird bedauert, dass weder die Pharmaidustrie noch die Deutsche Krebshilfe bereit sind, wissenschaftliche Studien zu finanzieren. Der Grund hierfür ist offensichtlich: Mit Methadon lässt sich kein Geld, Ruhm oder Ehre verdienen.

Da somit leider die Datenlage äußerst gering ist und ich mich hier nicht auch mit Einzelfällen abgeben will, will ich im folgenden eine kleine Übersicht der wissenschaftlichen Fachartikel zum Thema Mathadon und Krebs im Dezember 2016 geben.

Apoptose

Die Apoptose, also der programmierte Zelltod, stellt den wichtigsten Mechanismus bei der Bekämpfung der Krebszellen dar. Hierfür gibt es zwei grundlegende Abläufe:

  • Der extrinsische Weg
  • Der intrinsische Weg

Die Aktivierung eines dieser Pfade führt zur Aktivierung sogenannter Caspasen. Die Caspasen sind verschiedene Enzyme, die über eine Caspasekaskade bestimmte Zellen vernichten. 

Bei den meisten Krebsarten ist dieses Apoptosenprogramm irgendwo unterbrochen oder gestört.

Doxorubicin

Doxorubicin ist ein Zytostatikum und wird zur Chemotherapie bei der Behandlung von Tumoren eingesetzt.  Doxorubicin bindet an DNA und verhindert damit die Vervielfältigung der Erbinformationen; Zellteilung und Zellfunktion werden also behindert. Nebenwirkungen sind Übelkeit, Anämie und Organschäden.

Methadon bei Glioblastomen

Das Glioblastoma multiforme ist der häufigste bösartige Hirntumor mit gleichzeitig einer sehr schlechten Prognose. Die Veröffentlichung unter Punkt (1) von der Arbeitsgruppe um Dr. Claudia Friesen in der Zeitschrift Cell Cycle im Jahre 2014 stellt die Grundlage für den oben erwähnten Artikel in der Welt dar.

Es konnte gezeigt werden, dass cyclisches Adenosinmonophosphat (cAMP) das Zytostatikum Doxorubicin, behindert (5,6). D,L-Methadon hingegen reguliert cAMP und andere wichtige Proteine, die die Apotose verhindern, über bestimmte Rezeptoren herunter (1, 3). Wenn die Proteine, die die Apotose verhindern, durch Methadon herunter reguliert wurden, können die Tumorzellen vom Doxorubicin zerstört werden (1).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Methadon zusammen mit einer Chemotherapie das Wachstum von Glioblastomtumoren signifikant verhindert; zumindest in vitro mit Glioblastomtumoren und bei Einzelfällen beim Menschen. Da eine klinische Studie aus oben genannten Gründen nicht finanziert wird, wird es wohl auch in Zukunft bei Einzelfallstudien bleiben.

Methadon bei Leukämie

Es gibt mehrere Veröffentlichungen die belegen, dass D,L-Methadon die Apoptose (programmierter Zelltod) bei Leukämie einleiten und eine Chemotherapie mit Doxorubicin (Zytostatikum) unterstützen (1,2,3,). Weiter konnte gezeigt werden, dass Methadon die Aufnahme von Doxorubicin in Leukämiezellen erhöht (3).

Es konnte gezeigt werden, dass cyclisches Adenosinmonophosphat (cAMP) das Zytostatikum Doxorubicin, behindert (5,6). D,L-Methadon hingegen reguliert cAMP und andere wichtige Proteine, die die Apotose verhindern, über bestimmte Rezeptoren herunter (1, 3). Wenn die Proteine, die die Apotose verhindern, durch Methadon herunter reguliert wurden, können die Tumorzellen vom Doxorubicin zerstört werden (1).

Methadon bei Lungenkrebs

Methadon kann das Wachstum und die Lebensdauer von Lungenkrebszellen signifikant behindern (9, 11). An den Membranen von Lungenkrebszellen sind Rezeptoren für Opoide, so könnte Methadon die Zellteilung blockieren und Nikotin kann diesen Effekt wieder aufheben (9). In der Veröffentlichung von 1992 wird vorgeschlagen, Methadon in frühen Stadien von Lungenkrebs einzusetzten (9). Ähnliche Ergebnisse lagen damals auch für Brustkrebs, für Leukämie und Darmkrebs vor (9, 11).

Methadon bei Schmerzen

In der Palliativpflege ist ein gutes Schmerzmanagement wichtig. Ein signifikanter Anteil der Patienten die mit  Morphium behandelt werden, leiden aber unter unerwünschte Nebenwirkungen oder ungenügender Schmerzlinderung. Diese Patienten werden oft auf alternative Opiate umgestellt. Studien haben ergeben, dass Methadon wirksam bei der Linderung von Krebsschmerzen ist und ähnlich sicher bei der Schmerzbehandlung wie Morphium ist (7,8).

Es gibt Studien, die zeigen, dass die klinische Anwendung von Morphium möglicherweise schädlich ist bei Patienten mit Angiogenese abhängigen Krebsarten wie Brustkrebs (10, 12).

Analgesie

Unter Analgesie versteht man in der Medizin das Ausschalten von Schmerzen als Schmerztherapie.

Nebenwirkungen von Methadon

Die Nebenwirkungen von Methadon nach (13) sind

  • Endokrinopathien - Störung der Hormonproduktion, -regulation oder -wirkung mit den dadurch ausgelösten Symptomen.
  • Immunsuppression - Unterdrückung des Immunsystems
  • Neurokognitive Beeinträchtigung.
  • Zellzyklusstörungen.
  • Osteoporose

(1) Opioid receptor activation triggering downregulation of cAMP improves effectiveness of anti-cancer drugs in treatment of glioblastoma. Claudia Friesen et. al. Cell Cycle. (2014)

(2) Methadone, commonly used as maintenance medication for out- patient treatment of opioid dependence, kills leukemia cells and overcomes chemoresistance. Friesen C, Roscher M, Alt A, Miltner E..Cancer Res (2008)

(3) Cell death sensitization of leukemia cells by opioid receptor activation. Friesen C, Roscher M, Hormann I, Fichtner I, Alt A, Hilger RA, Debatin KM, Miltner E. Oncotarget (2013)

(4) Induction of apoptosis in pediatric acute lymphoblastic leukemia (ALL) cells by the therapeutic opioid methadone and effective synergy with Bcl-2 inhibition. Singh A, Jayanthan A, Farran A, Elwi AN, Kim SW, Farran P, Narendran A. Leuk Res (2011)

(5) Promoter hypomethylation regulates CD133 expres- sion in human gliomas. Tabu K, Sasai K, Kimura T, Wang L, Aoyanagi E, Kohsaka S, Tanino M, Nishihara H, Tanaka S. Cell Res (2008)

(6) Arsenic reverses glioblastoma resistance to mTOR-targeted therapies. Iwanami A, Cloughesy TF, Cavenee WK, Mischel PS. Cell Cycle (2013)

(7) The role of methadone in cancer pain treatment—a review. W. Leppert. Int J Clin Pract, 63 (2009)

(8) Methadone for cancer pain. E.E. Prommer. Palliat Care Res Treat, 4 (2010)

(9) Nonconventional opioid binding sites mediate growth inhibitory effects of methadone on human lung cancer cells. Rhoda Maneckjee, John D. Minna. PNAS (1992)

(10) Morphine stimulates angiogenesis by activating proangiogenic and survival-promoting signaling and promotes breast tumor growth.Gupta K, Kshirsagar S, Chang L, Schwartz R, Law PY, Yee D, Hebbel RP. Cancer Res. (2002)

(11) Effects of bombesin on methadone-induced apoptosis of human lung cancer cells. Wendy L. Heusch, Rhoda Maneckjee. Cancer Letters (1999)

(12) Morphine Cross-Reacts with Somatostatin Receptor SSTR2 in the T47D Human Breast Cancer Cell Line and Decreases Cell Growth. Anastassia Hatzoglou, L'Houcine Ouafik, Efstathia Bakogeorgou, Kyriaki Thermos, Elias Castanas. Cancer Research. (1995)

(13) Chronic opioid therapy in long-term cancer survivors. Carmona-Bayonas et al. Clinical and Translational Oncology. (2016)

 

Text und Fotos dürfen unter den Bedingungen der Creative Commons Attribution Share-Alike license (CC-BY-SA) gerne ganz oder teilweise kopiert und zitiert werden.

Dezember 2016

Da das Phageom (eng. phageome) ein Großteil unseres Mikrobioms darstellt, es immer mehr Hinweise gibt wie wichtig es für unsere Gesundheit ist, und es leider bis jetzt von den deutschsprachigen Medien vollkommen ignoriert wird, will ich hier das bis jetzt (Dezember 2016) bekannte aus der englischen Fachliteratur zusammentragen.

Phage

Phagen

Phagen sind schon sehr lange bekannt und wurden von Frederick Twort im Jahre 1915 und später von Felix d’Herelle 1917 entdeckt. Phagen sind alle Viren die Bakterien zu ihrer Vermehrung benötigen, auf ein Bakterium sollen mengenmäßig etwa 10 Phagen kommen. Damit hat jeder Bakterienstamm seit Jahrmillionen mit seinen eigenen spezifischen Viren zu kämpfen, denn Phagen sind sehr wirtsspezifisch. Natürlich haben Bakterien ein Immunsystem und können sich auch Phagen zu Nutzen machen. So befinden wir uns in  einem andauernden Wettlauf der Evolution von Bakterien gegen Phagen und auch von Bakterien und Phagen gegen Bakterien.

Ja, wir befinden uns mittendrin. Unser Körper hat etwa zwischen 10 bis 900 Billionen Zellen, auf eine menschliche Zelle kommt etwa eine Bakterie, das macht dann mehrere Billiarden Phagen pro Mensch (1+2).

Es gibt somit eine unerforschte Unmenge an verschiedenen Phagen, da es ja auch Unmengen an verschiedenen, zum Teil unerforschten Bakterien gibt. Am besten erforscht sind Phagen von Escherichia coli, sogenannte T4-Phagen und Lambda-Phagen (Phage λ). Dies hat damit zu tun, dass E. coli, das sogenannte Haustier von Biologen, sich relativ einfach im Reagenzglas halten lässt und im Normalfall für den Menschen harmlos ist. Phagen sind zwischen 20 - 200 nm gross. Der relativ grosse T4 Phage ist mit 200 nm einer der Grossen. E. coli ist im Vergleich dazu 0.5 μm x 2 μm, also 500 x 2000 nm gross.

Ein Phage injiziert sein Genom aus DNA oder RNA in eine Bakterienzelle.

Vermehrung der Phagen

Da es sehr viele verschiedene Phagen gibt, gibt es auch genau so viele Strategien der Phagen eine Bakterienzelle zu "entern". Aber eins ist allen Viren gemeinsam: Sie brauchen eine Zelle, um sich zu vermehren. Bei Phagen unterscheidet man grundsätzlich zwei verschiedene Gruppen, wobei die Übergänge fließend sein können.

  1. Lytische Phagen: Der Phage vermehrt sich sofort in der Zelle explosionsartig und bringt diese dann zum platzen und freisetzten neuer Viren.
  2. Lysogene Phagen: Der Phage baut erst mal nur seine DNA in das Bakterium mit ein und tötet diese nicht sofort.

Das Mikrobiom

Als das Mikrobiom wird die Gesamtheit aller Mikroorganismen bezeichnet, die ein Lebewesen besiedeln. Heute wird auch das Virom mit dazu gezählt. Das Mikrobiom beseht also aus Bakterien, Pilzen, Algen, Protozoen und eben dem Virom mit dem Phageom. Ein Teil des Mikrobioms ist die Darmflora.

Das Phageom

Das Virom ist die Gesamtheit aller Viren die ein Lebewesen besiedeln. Teil des Viroms ist das Phageom. Also der Teil der Viren die man auch als Bakteriophagen bezeichnet und die sich ausschließlich in Bakterien vermehren.

phagen2

 

 

Forschung zum Phageom

Im September 2016 ist ein faszinierendes Paper zum Phageom in PNAS erschienen:

Healthy human gut phageome (3)

Die Veröffentlichung dreht sich um das "healthy gut microbiome", also eine gesunde Darmflora. Teil dieser "gesunden Darmflora" ist ein gesundes Phageom. Dieses gesunde Phageom hilft und unterstützt eine gesunde Darmflora. Das gesunde Phageom besteht aus etwa 35-2800 verschiedenen Arten an Phagen (5), von denen die meisten absolut unbekannt sind und keine Ähnlichkeit zu bekannten Phagen haben.

In der Studie zum "gesunden Phageom" wurden 44 Gruppen von Bakteriophagen untersucht, die bei gesunden Probanden gefunden wurden. Es konnte gezeigt werden, dass Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa (chronisch-entzündlichen Darmerkrankung) ein verändertes Phageom haben. Es wird eine direkte Beziehung zwischen einem gesunden Mikrobiom und einem gesunden Phageom gezogen.

Dieser Abschnitt kann die nächsten Jahre (hoffentlich) mit interessanten Forschungen erweitert werden.

Spekulationen zum Phageom

Das Phageom wird allem Anschein nach in den ersten Lebenswochen vererbt und scheint essentiell für das weitere Leben zu sein. Es ergeben sich Hinweise darauf, dass unser Körper Phagen zur virologischen Abwehr von bakteriellen Erkrankungen einsetzen kann. Auch scheint das Phageom ausgesprochen wichtig beim horizontalen Gentransfer. So werden nicht nur Antibiotikaresistenzen auf Bakterien verteilt, auch können Phagen für den Menschen nützliche Gene konservieren; z.B. Gene "guter" Bakterien, nach einem Einsatz von Antibiotika.

Mit den Möglichkeiten der Tiefen-Sequenzierung (Sequenzierung im Hochdurchsatzverfahren) wäre es heute möglich, einen tieferen Einblick in das Phageom zu bekommen. Leider sind die Prioritäten in der deutschen Wissenschaft heute deutlich wo anders gesetzt.

phagen2

Weiterführende Veröffentlichungen über Phagen jenseits der Englischen Fachliteratur habe ich hier zusammengetragen http://hmjaag.de/phagenlinks/

Wer gerne zusätzliche Infos will, hat oder gerne darüber diskutiert, der ist in meinem Phagen Forum willkommen: http://www.dr-nepomuk.de/forum/

(1) The phage-host arms race: Shaping the evolution of microbes. Adi Stern, Rotem Sorek. BioEssays (2011).

(2) Revised estimates for the number of human and bacteria cells in the body. Ron Sender, Shai Fuchs, Ron Milo. Biorxiv (2016).

(3) Healthy human gut phageome, Manrique et al., PNAS (2016)

(4) Gut microbiota modulate host immune cells in cancer development. Erdmann and Poutahidis, Free Radical Biology and Medicine (2016).

(5) The human gut virome: Inter-individual variation and dynamic response to diet. Minot et al. Genome Research (2011).

Text und Fotos dürfen unter den Bedingungen der Creative Commons Attribution Share-Alike license (CC-BY-SA) gerne ganz oder teilweise kopiert und zitiert werden.