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März 2016

Angeregt durch die Aufregung um Glyphosat wollte ich hier mal untersuchen welche sogenannten Pflanzenschutzmittel in unseren Lebensmitteln alle zugelassen sind und mit welchen Rückstände auf ausgesuchten Nahrungsmitteln zu rechnen ist. Hierfür habe ich die Datenbank des United States Department of Agriculture ebenso als Quelle durchsucht wie Seiten des Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und das Bundesumweltamt.

Die meisten Großabnehmer von landwirtschaftlichen Produkten haben eine genaue Vorstellung, wie das Produkt auszusehen hat. Schon eine Farbänderung der Früchte kann bei konventionellen Landwirten zu einem empfindlichen Einkommensverlust führen. Deshalb können sie es sich nicht leisten, einen Teil ihrer Ernte an diverse Krankheiten zu verlieren. Aus diesen Gründen versuchen sie ihre Verluste durch den massiven Einsatz von Pestiziden zu begrenzenapfel k.

Rückstände auf Obst und Gemüse

Das United States Department of Agriculture gibt jährlich ein Bericht heraus welche Chemikalien auf den Lebensmitteln gefunden wurden. Auf konventionellen Äpfeln konnten Rückstände von 47 verschiedenen Pestiziden in unterschiedlichen Konzentrationen gemessen werden. Darunter waren bekannte oder wahrscheinliche Karzinogene, mutmaßliche endokrinen Disruptoren, Neurotoxine,  entwicklungs- oder reproduktionstoxische Stoffe und viele bienengiftige Substanzen.

Auch in Deutschland werden solche Daten veröffentlicht. So hat die Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg bei einer Untersuchung von  Kirschen aus konventionellem Anbau insgesamt 32 verschiedene Wirkstoffe nachweisen können (CVUA-Stuttgart).

Im folgenden versuche ich einige dieser Substanzen die regelmäßig auf konventionellem Obst und Gemüse zu finden sind, alphabetisch aufzuschlüsseln:

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Acetamiprid: In Deutschland zugelassen als Mospilan SG  oder Danjiri bei allem Gemüse, Obst, Nüssen und Zierpflanzen als Insektizid. Acetamiprid ist stark bienengiftig und zählt zu den Neonicotinoiden. Acetamiprid wirkt auf menschliche Zellen stark zytotoxisch und im Zusammenspiel mit den verwendeten, geheimen Zusatzstoffen (Adjuvants) über 1000 mal stärker als vom Hersteller angegeben (6).

Amitraz: Amitraz einschließlich seiner Metaboliten wird als Insektizid eingesetzt und ist in Deutschland verboten. Das Insektizid konnte in der Vergangenheit auf Obst vor allem aus der Türkei und Spanien gefunden werden (2).

Azinphosmethyl: Azinphosmethyl wird als Breitband-Insektizid im Anbau verschiedener Früchte und Gemüse eingesetzt und ist aufgrund seiner Toxizität (Hormon-Disruptor, Neurotoxin) seit 2006 in der EU verboten. Trotzdem wird es immer wieder auf importierten, konventionellen Äpfeln oder auch auf Petersilie gefunden.

Mit dem Pestizid hat Bayer in Schottland erstmals seit dem 2. Weltkrieg Menschenversuche durchgeführt und den seit 50 Jahren geltende "Nürnberger Kodex" gebrochen. Im Auftrag der Bayer AG wurde im Jahr 1998 in Schottland acht Männer Azinphosmethyl Tabletten unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verabreicht:

...„Turnbull war 1998 eine von 50 Testpersonen, die für einen Lohn von umgerechnet 1.100 Euro im Inveresk Research Laboratory eine Pille mit Azinphos-Methyl schluckten und daraufhin sieben Tage lang beobachtet wurden. "Wer vor Ablauf der Woche nach Hause ging, musste eine Strafe zahlen. Danach habe ich nie wieder von dem Institut gehört und bin auch nicht mehr ärztlich untersucht worden." Auch der Auftraggeber der Testreihe wurde den Probanden nicht mitgeteilt.

Erst vier Jahre später erfuhr Turnbull von Journalisten mehr über die Versuche: Azinphos-Methyl ist kein Medikament, sondern ein Pestizid aus der Klasse der Organophosphate, welches von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als "hochgefährlich" bezeichnet wird. Hinter der Untersuchung steckte der Leverkusener Konzern Bayer."... Aus der taz vom 02.11.2002.

Bitertanol:  Bitertanol und Dichlofluanid werden als Fungizid  bei Obst und Gemüse verwendet und sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht zugelassen. Aus diesen Gründen stellt dieses Fungizid nur bei Obst (Kirschen) und Gemüse aus dem konventionellen Anbau aus dem Ausland ein Problem dar.

Boscalid: siehe Epoxiconazol

Carbaryl: Carbaryl ist ein Insektizid das wegen seiner großen Toxizität in der EU nicht zugelassen ist. Trotzdem werden gelegentlich Rückstände in diversen Lebensmitteln gefunden. So bei WeinblätternObst, speziell aus Argentinien und Chile; Trauben und bei Wein.

Chlorantraniliprol: In Deutschland zugelassen als CORAGEN oder Dantop bei Kohl, Mais, Kernobst, Kräutern und auch Zierpflanzen als Insektizid gegen Läuse, Zikaden und Fliegen. Chlorantraniliprol  bewirkt die Freisetzung von Kalzium aus interzellulären Speichern beim Menschen, reguliert zwei Gene hoch (GPR18 und SLC7A11) und ist immunotoxisch (5).  Chlorantraniliprol ist als Insektizid stark bienengiftig.

Chlorpyrifos: Chlorpyrifos ist ein Insektizid das in der EU seit 2005 eine Zulassung hat. Es ist auch für den Menschen stark toxisch und wirkt als Neurotoxin. So konnten neurologische Effekte, Mißbildungen, Entwicklungsstörungen, Maternaltoxizität, Fetotoxizität, induzierte Zell-Apoptose und DNA-Brüche nachgewiesen werden (7). Es ist allgemein ein potentes genotoxisch Mittel (7,8). Rückstände finden sich auf vielen importierten konventionellen Früchten und Gemüsen. Dazu zählen vor allem Bananen, Erdbeeren, Gemüse und Kräuter. Siehe auch "Pflanzenschutzmittelrückstände in Frischgemüse 2013" vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes (CVUA) Stuttgart.

Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Chlorpyrifos sind in Deutschland seit 2015 nicht mehr zugelassen. Die Zulassung wurde für diese Mittel auf Antrag des Zulassungsinhabers widerrufen, da es aufgrund neuerer Veröffentlichungen zuvor eine Änderung der toxikologischen Grenzwerte im Prüfbereich Gesundheit gegeben hat.(schriftlich Mitteilung vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) im März 2016).

Diazinon: Diazinon ist ein nicht-systemisches Insektizid und Akarizid das wegen seiner großen Toxizität in der EU seit 2011 verboten ist. Trotzdem werden gelegentlich Rückstände auf Äpfeln, Erdbeeren, Kirschen und bei Pilzen gefunden.

Diflufenican: Siehe Isoproturon

Dimethoat: Dimethoat ist ein in Deutschland zugelassenes Insektizid, das hier vor allem bei Spargel, Kohl und an Zierpflanzen eingesetzt wird. Die Substanz wirkt als starkes Nervengift auch beim Menschen.  Trotz vorgeschriebener Wartezeiten kann es bei Untersuchungen von Obst und Gemüse immer wieder nachgewiesen werden.

Diphenylamin (DPA): Diphenylamin wird in der Landwirtschaft als Fungizid eingesetzt und hemmt die Oxidation eines bestimmten Terpens, wodurch die Bräunung der Schale behindert wird. Diphenylamin ist in der EU aufgrund seiner Giftigkeit verboten. Trotzdem wurde es auf Obst in Stichproben gefunden. Wirkstoffe, die in Deutschland allgemein nicht zugelassen sind und in deutschen Obst- und Gemüseproben gefunden wurden.

Dodin: Dodin ist ein Fungizid, das in Deutschland auf Obst zugelassen ist. 

Endosulfan: Endosulfan und seine Isomere  ist ein neurotoxisches Insektizid und in der EU verboten. Endosulfan ist eine östrogen wirkende Verbindung, beeinflusst die Fortpflanzungsfähigkeit und bewirkt Entwicklungsstörungen bei Föten. Ebenso ist es wahrscheinliche karzinogen und ein Nervengift. Endosulfan wurde in Südamerika in großen Mengen auf Soja (Tierfutter) ausgebracht und gelangt durch die Abdrift über das Wasser auch auf biologisch bewirtschafteten Flächen. Obwohl es heute angeblich überall verboten ist, finden sich dennoch Rückstände auf Nahrungsmitteln.

Epoxiconazol: Epoxiconazol , Boscalid, Prochloraz und  Kresoxim-methyl sind in Deutschland zugelassene Fungizide die zumeist in einer Mischung verwendet werden. Man findet diese Fungizide in Spritzmittel bei Spargel, auf vielen Gemüsen und Obst. Je nach Hersteller sind unterschiedliche, geheime oder nicht geheime Vernetzungsmittel, bzw. Adjuvants, beigemischt, die die Toxizität deutlich erhöhen (6). Diese Fungizide wirken stark toxisch bei einer menschlichen Schwangerschaft und beeinflussen die Entwicklung des menschlichen Fötus (11, 12). Ebenso wirken Mischungen von Azolfungiziden auf die intrazelluläre Calciumkonzentration beim Menschen (13). Die Fungizide zählen zu den antiandrogenen (männlichen Sexualhormone hemmende) Pestiziden (14).

Fenbuconazol: Fenbuconazol ist ein Fungizid das in der EU und der Schweiz, aber nicht in Deutschland und Österreich zugelassen ist. Höchstmengenüberschreitungen wurden auf Kirschen gefunden (CVUA-Stuttgart), aber auch auf anderem Obst und Gemüse, vor allem aus Marokko (Bayerisches Landesamt für

Gesundheit und Lebensmittelsicherheit). Fenbuconazol ist ein endokriner Disruptor und wirkt als Inhibitor der humanen Aromatase. Das heißt, es blockiert ein Enzym, das  die Umsetzung von Testosteron zu Estradiol und von Androstendion zu Estron katalysiert  (16).

Fenhexamid: Fenhexamid ist ein Fungizid das in Deutschland zugelassen ist und das man aus Salaten, Gemüse und auch Obst findet.

Fluopyram: Siehe Tebuconazol

Fluroxypyr: Fluroxypyr ist ein in Deutschland zugelassenes Herbizid. Je nach Hersteller sind unterschiedliche, geheime oder nicht geheime Vernetzungsmittel, bzw. Adjuvants, beigemischt, die die Toxizität deutlich erhöhen (6). Fluroxypyr wird vor allem auf Zwiebeln, Thymian und Kamille, eingesetzt.

Glyphosat: Glyphosat ist als Isopropylamin-Salz (45 Mittel), Wasserlösliches Konzentrat (8 Mittel), als Kalium-Salz (3 Mittel) oder als Ammonium-Salz (11 Mittel, darunter Roundup) ein in Deutschland zugelassenes Herbizid. Je nach Hersteller sind unterschiedliche, geheime oder nicht geheime Vernetzungsmittel, bzw. Adjuvants, beigemischt, die die Toxizität deutlich erhöhen (6, 9). Außer beim Getreide, wird Glyphosat bei Gemüsekulturen, Obst, Zierpflanzen, Rasen und in Baumschulen benutzt. Die produzierte Menge wurde laut Wikipedia für 2008 auf 600.000 Tonnen Glyphosat geschätzt.

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Imidacloprid: Imidacloprid ist ein systemisches Insektizid aus der Gruppe der Neonicotinoide  und wird vor allem gegen saugende Insekten eingesetzt. Je nach Hersteller sind unterschiedliche, geheime oder nicht geheime Vernetzungsmittel, bzw. Adjuvants, beigemischt, die die Toxizität deutlich erhöhen (6).  Imidacloprid wird vor allem auf Salaten, bei Äpfeln, Pfirsichen, Aprikosen und Nektarinen eingesetzt. Neonicotinoide sind stark bienengiftig.

Isoproturon: Isoproturon und Diflufenican sind in Deutschland als Herbizid zugelassen. Von der Toxizität her gilt im Grunde das selbe wie für Glyphosat. Wobei auch hier die Toxizität vor allem durch diverse Adjuvants deutlich erhöht wird (6,9).

Kresoxim-methyl: siehe Epoxiconazol

2-Phenylphenol: Phenylphenol oder Natriumorthophenylphenolat ist ein Fungizid das zur Konservierung von Zitrusfrüchten eingesetzt wird. Es ist manchmal als Lebensmittelzusatzstoff  mit E231 oder E232 gekennzeichnet und mit einem Grenzwert von 12 mg/kg in der EU zugelassen. Gemäß der Richtlinie 2003/114/EG gehört Orthophenylphenol nicht mehr zu den Lebensmittelzusatzstoffen sondern wird  den Pflanzenschutzmitteln zugezählt. Dafür müsste das Fungizid jedoch zunächst als Pflanzenschutzmittel zugelassen werden. Da aber Orthophenylphenol auch weiterhin zur Behandlung von Zitrusfrüchten eingesetzt werden darf und die Europäische Kommission den Stoff bisher nicht als Pflanzenschutzmittel zugelassen hat, bleibt hier eine Lücke. Bis diese gesetzliche Lücke geschlossen ist, bleibt Orthophenylphenol als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen.

Natriumorthophenylphenolat ist karzinogen, reproduktionstoxisch und kann stake Allergien auslösen.

Phosmet: Phosmet ist ein Insektizid das in Deutschland und der Schweiz nicht zugelassen ist,  aber in der Europäischen Union als Insektizid und Akarizid erlaubt ist. In Österreich ist ein Präparat für die Anwendung gegen Kartoffelkäfer und Rapsglanzkäfer erhältlich. Phosmet wirkt ähnlich toxisch (Neurotoxin, möglich karzinogen) wie Chlorpyrifos (8) und es werden regelmäßig Rückstände auf importiertem, konventionellen Obst und Gemüse gefunden; vor allem auf Birnen.
Wirkstoffe, die in Deutschland allgemein nicht zugelassen sind und in deutschen Obst- und Gemüseproben gefunden wurden.

Pirimicarb: Pirimicarb ein in Deutschland zugelassenes Insektizid und wird vor allem gegen Blattläuse eingesetzt. Je nach Hersteller sind unterschiedliche, geheime oder nicht geheime Vernetzungsmittel, bzw. Adjuvants, beigemischt, die die Toxizität deutlich erhöhen (6). Pirimicarb wird vor allem auf konventionellen Salaten (Rucola, Endivien, Spinat), bei Artischoken, Kohl, Melonen, Gemüse (Tomaten, Gurken,  Auberginen, Meerrettich, Pastinak, Topinambur, Schwarzwurzel), Kräuter, Obst (Kirsche, Pflaume, Aprikose), Beeren (Himbeeren, Johanisbeeren) und auch auf Zierpflanzen, eingesetzt. Primcarb verursacht bei menschlichen Lymphozyten DNA-Schäden (10) und ist stark bienengiftig.

Prochloraz: siehe Epoxiconazol

Procymidon: Procymidon ist ein Fungizid und seit 1997 in Deutschland nicht mehr zugelassen.  Seit es 2007 zu Überschreitung der sogenannten Akuten Referenzdosis (ARfD) bei Tafeltrauben kam, ist seit 2008 auch in der EU verboten.

Pyrimethanil: In Deutschland zugelassen als PYRUS oder Scala in Erdbeeren oder Kernobst als Fungizid gegen Schorf oder Botrytis. Pyrimethanil ist ein mögliches Karzinogen und regt beim Menschen die Produktion von Östrogenen an (4).  Wegen zu hoher Rückstandsmengen in Kirschen hat die Lebensmittelüberwachung vor einem zu großen Verzehr vor allem bei Kleinkindern abgeraten (CVUA-Stuttgart).

Streptomycin: Streptomycin ist ein Antibiotika für das keine Zulassung  im Obstbau in Deutschland vorliegt. Trotzdem gab es eine Reihe von Ausnahmegenehmigungen für die Anwendung von streptomycinhaltigen Pflanzenschutzmittel im gewerblichen Obstbau. Hierfür muss in Baden-Württemberg ein „Notfallzulassungsantrag nach Art. 53“ gestellt werden. Wie oft und über welche Menge diese Anträge genehmigt werden und wurden wird nicht kommuniziert. Seit den späten 1950er Jahren bis heute wird tonnenweise Streptomycin unter dem Handelsnamen „Plantomycin“ in Obstplantagen versprüht – mit unerforschten Auswirkungen auf die Flora und Fauna.

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Seit dem 1. September 2008 gelten in der EU einheitliche Rückstandshöchstgehalte für Streptomycin in Honig von 10 μg/kg.  Deshalb wird den Imkern nach Einsatz eines streptomycinhaltigen Pflanzenschutzmittels im Erwerbsobstbau dringend angeraten ihren Honig beproben zu lassen. Nichtverkehrsfähiger Honig wird aufgekauft und entsorgt (17).

Aus obigen Auszug (17) der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft lässt sich schiessen, dass in Deutschland, im Gegensatz zu der Schweiz, der Honig nicht immer auf Rückstände untersucht wird. Aus diesem Grund gibt es aus der Schweiz wohl auch einige Berichte mehr über Streptomycin im Honig. So mussten 2011 allein im Thurgau neun Tonnen Honig wegen zu hohem Antibiotikagehalt vernichtet werden (18).

Ebenso müssen jedes Jahr mehrere Tonnen Honig aus der Bodensee Region wegen zu hoher Antibiotika Belastung in Biogasanlagen vernichtet werden. Der Landesverband Erwerbsobstbau zahlt den Imkern die Entschädigung, bekommt aber vom Land die Hälfte des Betrags zurück (19).

Streptomycin wird auch bei Tuberkulose (Mycobacterium tuberculosis), Pest (Yersinia pestis) und bakterieller Endokarditis (Staphylococcus aureus, Streptococcus, Enterococcus) eingesetzt und soll Menschen heilen.

Tebuconazol: Tebuconazol, Fluopyram und  Trifloxystrobin werden in der Landwirtschaft als Fungizide und als Holzschutzmittel eingesetzt. So findet es sich als Saatgutbeizung gegen eine Reihe von Pilzkrankheiten und auch als Spritzmittel auf Zwiebeln, Gemüse und Obst. Je nach Hersteller sind unterschiedliche, geheime oder nicht geheime Vernetzungsmittel, bzw. Adjuvants, beigemischt, die die Toxizität deutlich erhöhen (6). Diese Fungizide wirken stark toxisch bei einer menschlichen Schwangerschaft und beeinflussen die Entwicklung des menschlichen Fötus (11, 12). Ebenso wirken Mischungen von Azolfungiziden auf die intrazelluläre Calciumkonzentration beim Menschen (13). Die Fungizide zählen zu den antiandrogenen (männlichen Sexualhormone hemmende) Pestiziden (14).

Thiabendazol: Thiabendazol wird in der Landwirtschaft als Fungizid eingesetzt. In Deutschland und Österreich ist Thiabendazol als Tervanol oder Celaflor Wundbalsam Plus momentan nur für Bäume zugelassen. In der Schweiz darf Thiabendazol darüber hinaus auch zur Behandlung von Pflanzkartoffeln eingesetzt werden. Außerdem können in der Schweiz Gewächshäuser zur Bekämpfung der Grauschimmelfäule mit einem thiabendazolhaltigen Präparat beräuchert werden. Mit Thiabendazol wird meist die Schale von Zitrusfrüchten behandelt und ist dort in hohen Konzentrationen zu finden.

Das Bundesinstiut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin bewertet Thiabendazol als nur gering akut toxisch und es lägen keine Hinweise auf eine krebserzeugende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende Wirkung beim Menschen vor (gbvv). Wissenschaftliche Studien belegen jedoch das Gegenteil, so konnte eine mögliche karzinogene und erbgutschädigende Wirkung nachgewiesen werden (3).

Trifloxystrobin: Siehe Tebuconazol

 

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Diskussion

Diese Zusammenstellung soll nur einen kleinen Überblick geben, über die am häufigsten, auf Lebensmitteln gefunden Pestizide. Weltweit ist eine unübersichtliche Anzahl an Pestiziden zugelassen, so dass man sich eigentlich nur auf eine funktionierende Lebensmittelüberwachung verlassen kann. Trotz allem kann man auch die in Deutschland zugelassenen Pestizide und die erlaubten Rückstandsmengen diskutieren.

Die Auswirkungen auf Umwelt und Natur sind enorm und werden hier nicht weiter erörtert. So soll allein die Biomasse an Insekten in Deutschland zum Teil in den vergangenen 15 Jahren auf über 80% zurück gegangen sein (15).

In diesem Zusammenhang kann sich jeder die Frage stellen, was ihm eine biologische oder regionale Landwirtschaft Wert ist. Es wäre eine Entscheidung nicht nur für die eigene Gesundheit, sondern auch für das Überleben unserer Natur mit all ihrer Flora und Fauna, den Böden und Flüssen; und letztendlich auch eine Entscheidung für unsere Landwirte, damit diese sich wieder für einen ordentlichen Lohn um einen vernünftigen Ackerbau kümmern können.

 

apfel GapfelH

 

(1) Datenbank des United States Department of Agriculture https://www.ams.usda.gov/datasets/pdp/pdpdata

(2) Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. 

(3) In vitro aneugenic effects of the fungicide thiabendazole evaluated in human lymphocytes by the micronucleus assay. Santovito, Alfredo, Cervella, PieroView Profile, Delpero, Massimiliano. Arch Toxicol. (2011)

(4) Effects of single pesticides and binary pesticide mixtures on estrone production in H295R cells. Prutner et al., Arch Toxicol. (2013)

(5) Successful validation of genomic biomarkers for human immunotoxicity in Jurkat T cells in vitro. Schmeits et. al. J Appl Toxicol. (2015)

(6) Major Pesticides Are More Toxic to Human Cells Than Their Declared Active Principles. Robin Mesnage et. al. BioMed Research International (2014)

(7) The organophosphate insecticide chlorpyrifos confers its genotoxic effects by inducing DNA damage and cell apoptosis. Diqiu Li et. al. Chemosphere (2015)

(8) Effects of the organophosphate insecticides phosmet and chlorpyrifos on trophoblast JEG-3 cell death, proliferation and inflammatory molecule production. Guiñazú N. et. al. Toxicol In Vitro. (2012)

(9) Influence of the spray adjuvant on the toxicity effects of a glyphosate formulation. Isis Coalova et. al. Toxicology in Vitro 28 (2014)

(10) Effects of pesticides on human peripheral lymphocytes in vitro: induction of DNA damage. Ü. Ündeğer, N. Başaran. Archives of Toxicology (2005)

(11) Combination effects of (tri)azole fungicides on hormone production and xenobiotic metabolism in a human placental cell line.Rieke S. et. al. Int J Environ Res Public Health. (2014)

(12) Triazole fungicide tebuconazole disrupts human placental trophoblast cell functions. Zhou J et. al. J Hazard Mater. (2016)

(13) Azole fungicides disturb intracellular Ca2+ in an additive manner in dopaminergic PC12 cells. Heusinkveld HJ. Toxicol Sci. (2013)

(14) Competitive androgen receptor antagonism as a factor determining the predictability of cumulative antiandrogenic effects of widely used pesticides. Orton F. et. al. Environ Health Perspect. (2012)

(15) Dramatisches Insektensterben . https://www.nabu.de/news/2016/01/20033.html 

(16) Modulation of aromatase activity and mRNA by various selected pesticides in the human choriocarcinoma JEG-3 cell line. Laville N et. al. Toxicology. (2006)

(17)  Information der Imker zum Einsatz streptomycinhaltiger Pflanzenschutzmittel zur Bekämpfung des Feuerbranderregers im Erwerbsobstbau in Bayern. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
Institut für Pflanzenschutz. (2013)

(18)  Schweizer Radio und Fernsehen SRF

(19) Neun Tonnen Honig mit Antibiotikum belastet. PETRA WALHEIM. Tageblatt vom 19.08.2011 (2011)

Text und Fotos dürfen unter den Bedingungen der Creative Commons Attribution Share-Alike license (CC-BY-SA) gerne ganz oder teilweise kopiert und zitiert werden.

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März 2016

Wirkung der Vitamine D und K auf die sportliche Leistung

Zusammenfassung

Unter dem Begriff Vitamin D wird eine Gruppe von verschiedenen fettlöslichen Vitaminen zusammengefasst, die mit der Regulierung des Calciumhaushalts und der Mineralisation der Knochen in Verbindung stehen. Sie werden auch als Calciferole bezeichnet. Vitamine D2 und D3 sind streng genommen keine Vitamine, sondern eher Vorläufer von Hormonen. Vitamin D ist ein fettlösliches Vitamin und Rezeptoren dafür gibt es in nahezu jedem Gewebe, vor allem innerhalb der Skelettmuskulatur. Es konnte gezeigt werden, dass Vitamin D als Hormon eine wichtige  Rolle im menschlichen Körper spielt und über 900 Genvarianten regelt (1).

Es wird diskutiert, ob ein erhöhter Vitamin D-Spiegel die Leistungsfähigkeit von Sportlern erhöht und den Testosteronspiegel ansteigen lässt. Momentan sind sich Wissenschaftler aber uneinig  im Hinblick auf die optimale Aufnahme von Vitamin D, die spezifische Form die man einnehmen soll und über die unterschiedlichen Wechselwirkungen von Vitamin D mit Vitamin-K, die die Arterienverkalkung und Hypervitaminose beeinflussen können.Sterogyl

56% der untersuchten Sportler haben einen zu niedrigen Vitamin D Spiegel (1).

 

Der Vitamin D und K Stoffwechsel

Vitamin D3 wird von der Leber, der Niere und auch von Proteinen des Muskelgewebes zu seiner aktiven hormonell wirksamen Form umgebaut. Das Vitamin D bindet dann im Blut an spezielle Proteine, die Vitamin D Rezeptoren (VDR - Vitamin D receptors) und beteiligt sich dann an verschiedenen Prozessen im ganzen Körper.

Calcium, Vitamin D und Vitamin K wirken synergistisch. Das heißt, dass diese Vitamine zusammen am Knochenaufbau und Erhalt arbeiten. Ist nun der Vitamin K Spiegel zu niedrig, kann dies zu Verlusten von Calcium aus Knochen führen. Deshalb wird vermutet, dass Vitamin D Toxizität nur bei Vitamin K Mangel entsteht (1).

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Vitamin D+K und Leistung

Im Muskelgewebe gibt es viele Rezeptoren für Vitamin D. Deshalb wird auf eine enge Verbindung zwischen Leistungsfähigkeit und Vitamin D vermutet. Es gibt auch einige Studien, die einen hohen Vitamin-D Spiegel mit Muskelkraft, Ausdauer und Muskelmasse in Verbindung setzten (1). So ist bei Sportlern die Sauerstoffaufnahme der Muskeln und auch die Erhohlungszeit deutlich verbessert.

So konnte bei Marathonläuferinnen gezeigt werden, dass eine Überdosis von Vitamin K und Vitamin D die Leistung steigern und bei Frauen Osteoporose verhindern kann (1, 4, 5). Da Vitamin D und K wie oben erwähnt zusammen arbeiten, sollte auf eine optimale Dosierung von beiden Vitaminen geachtete werden.

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Vitamin D Aufnahme

Der Gehalt an Vitamin D wird in zwei Einheiten angegeben, der internationalen Einheit (IU) oder in Mikrogramm (μg oder mcg), die biologische Aktivität von 40 IU ist gleich 1 μg.

Vitamin D3 wird  in der Haut mit UVB Strahlen der Sonne gebildet. Da dies im europäischen Winter nicht genug ist, haben Menschen in Deutschland meist, zumindest im Frühjahr, einen Vitamin D Mangel. Die oft geschriebene Empfehlung diesen Mangel durch den Konsum von Milchprodukten zu beheben ist falsch.

Der natürliche Vitamin D Gehalt der Kuhmilch wird sehr unterschiedlich angegeben und schwankt zwischen 0 – 50 IU pro 100 g.  Eine Schweizer Quelle spricht von 0,06 μg/100g und Hipp gibt 0,088 μg/100g für Kuhmilch an. Da in Deutschland die wenigsten Kühe heute noch auf der Weide stehen, dürften das Höchstwerte sein.

Mehrere Studien zeigen, dass Vitamin D Supplementierung von mehr als 400 IU pro Tag das Risiko einer Fraktur reduziert (2). Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für Erwachsenen 20 μg, bzw. 800 IU , die Endokrine Gesellschaft (ES) empfiehl sogar bis zu 2000 IU Vitamin D3 am Tag. Um also auf die empfohlene Tagesdosis Vitamin D mit Milch zu kommen, müsste man täglich mehr als 40 Liter nicht fettreduzierter Milch trinken.

Deshalb wird Vitamin D, ähnlich wie Vitamin A, in den USA, Kanada und Schweden der Milch künstlich zugesetzt. Um also auf die Empfohlene Menge Vitamin D zu kommen kauft man sich am besten gleich Nahrungsergänzungsmittel.

Serumkonzentration Vitamin D

Die Empfehlungen für die Serumkonzentration gehen von 70 nmol/L  als absolutes Minimum bis auf über 120 nmol/L . Bei Werten unter 50 nmol/L geht man von einem Mangel aus. Dabei sollte die tägliche Aufnahme von Vitamin D über Nahrungsergänzungsmittel den Wert von 10.000 IU nicht übersteigen (1). In der Literatur werden diese Zahlen aber kontrovers diskutiert und vor allem bei Sportlern in Frage gestellt. So sind auch bis heute keine Nebenwirkungen bei Überdosierung bekannt, aber die Möglichkeit von Nierensteinen und Gefäßverkalkungen bei dauerhafter Überdosierung von über 40.000 IU wird für möglich gehalten (1).

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Ähnlich wie Vitamin D, hat auch Vitamin K zwei Varianten: Vitamin K1 und Vitamin K2.

Vitamin K1 ist vor allem in grünen Pflanzen zu finden:

  • Kohl, Petersilie, Spinat, Brokkoli, Mangold, Rosenkohl.
  • Avocado, Kiwi und grüne Trauben.
  • Pflanzenöle wie Sojaöl und Rapsöl.

Vitamin K2 wird vor allem von Bakterien gebildet und ist meist in fermentierten Lebensmitteln zu finden. Siehe auch hier: http://www.dr-nepomuk.de/darmbakterien/

  • Natto mit der höchsten Menge von 1100 µg/100g (4).
  • Sauerkraut oder allgemein fermentiertes Gemüse können bis 500 µg/100g Vitamin K2 enthalten.
  • Fermentierter Käse.

Die empfohlene Tagesdosis von Vitamin K liegt im Bereich von 50 µg bis 1000 µg (3,4). Wobei diese Konzentrationen in der Literatur diskutiert werden, da die Vitamin K Speicher im Körper sehr schnell geleert werden. Klinische Studien haben Vitamin K Ergänzungsmittel in Dosierungen bis 10 mg Vitamin K1 und bis 45 mg für Vitamin K2 verwendet und fanden keinen Hinweise auf toxische Effekte (4). Die Einnahme von zu viel Vitamin E in Form von Nahrungsergänzungen kann sich negativ auf den Vitamin K Spiegel auswirken (4)

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Serumkonzentration Vitamin K

Die Empfehlungen für die Serumkonzentration gehen von mindestens 0,5 nmol/L  für Vitamin K aus. Ein anderes Maß ist das "untercarboxylierte Osteocalcin" (undercarboxylated osteocalcin), dessen Wert nicht über 4,0 ng/ml steigen sollte (4).  Es gibt viele Studien, die einen Vitamin K Mangel mit einer Reihe von Krankheiten in Verbindung ringen. So soll bei einem Mangel das Risiko für Osteoporose, Osteoarthritis, Arterienverkalkung und auch Krebs steigen (4).

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In einigen Studien konnte gezeigt werden, dass eine Überdosis von Vitamin K und Vitamin D die Leistung steigern und bei Frauen Osteoporose verhindern kann (1, 2, 3, 4, 5).  Da Vitamin D und K wie oben erwähnt, zusammen arbeiten, sollte auf eine optimale Dosierung von beiden Vitaminen geachtete werden. Auch soll bei einem Mangel das Risiko für Osteoporose, Osteoarthritis, Arterienverkalkung und auch Krebs steigen (4).

Aus diesen Gründen sollte man seine Werte kontrollieren und vor allem im Frühjahr durch Nahrungsergänzungen die Speicher auffüllen. Auch wenn die Wissenschaft sich nicht über Grenzwerte einig ist, so scheinen die Gefahren einer Überdosierung doch deutlich geringer, als ein Mangel.

 

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(1) Plausible ergogenic effects of vitamin D on athletic performance and recovery. Dylan T. Dahlquist, Brad P. Dieter, Michael S. Koehle. Journal of the International Society of Sports Nutrition. (2015)

(2) Prevention of nonvertebral fractures with oral vitamin D and dose dependency: a meta-analysis of randomized, controlled trials. Bischoff-Ferrari HA, Willett WC, Wong JB, et al. Arch Intern Med. (2009)

(3) A high phylloquinone intake is required to achieve maximal osteocalcin gamma-carboxylation. Neil C Binkley, Diane C Krueger, Tisha N Kawahara, Jean A Engelke, Richard J Chappell, John W Suttie. Am J Clin Nutr. (2002)

(4) Vitamin K and musculoskeletal health in postmenopausal women. Maryam S. Hamid, Angela M. Cheung. Molecular Nutrition & Food Research. (2014)

(5) Does vitamin K2 play a role in the prevention and treatment of osteoporosis for postmenopausal women: a meta-analysis of randomized controlled trials. Huang et al. Osteoporos Int. (2015)

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Januar 2016

Das Glaukom wird auch Grüner Star genannt und besteht im Grunde aus verschiedenen Augenkrankheiten die die Nervenzellen der Netzhaut (Retina) und den Sehnerven Schädigen können. In diesem Bericht will ich nur auf die aktuellen und neuesten Forschungen (2015 und 2016) in Bezug auf das Krankheitsmangement eingehen.

Falls Sie sich einen Überblick über die Krankheit, die Diagnostik und die übliche Behandlung machen wollen, sind Sie auf die hervorragenden Seiten des Initiativkreis zur Glaukom-Früherkennung e.V. verwiesen.

 

Auge

Allgemeine Ursachen eines Glaukoms

Früher hat man geglaubt, dass der Augeninnendruck maßgeblich für ein Glaukom sei. Heute weiß man, dass etwa 80% aller Menschen mit einem hohen Augeninnendruck niemals ein Glaukom entwickeln. Ebenso haben etwa 30% der Menschen mit einem Glaukom keinen erhöhten Augeninnendruck (2).

Risikofaktoren für einen Glaukomschaden sind:

  • Das Alter.
  • Vererbung von bestimmten genetischen Variationen, bzw. familiäre Häufungen.
  • Okuläre Hypertension (Vergrößerte Hornhautdicke).
  • Diabetes.
  • Migräne.
  • Das Schlaf-Apnoe-Syndrom oder Schnarchen.

 

 

Augen

Aktuelles Management eines neovaskulären Glaukoms nach (1) von 2015

Krankhafte Veränderungen bei einem neovaskukärem Glaukom

Ein Glaukom entsteht nach einer Reihe von Entwicklungen im Augengewebe. Am Anfang der Kette steht eine sogenannte Hypoxie. Eine Hypoxie ist eine Mangelversorgung mit Sauerstoff vom Augengewebe. Ob das Auge jetzt tatsächlich mit zu wenig Blut versorgt wird, oder ob das Auge es "sich nur einbildet" ist dabei zweitrangig. Fakt ist, das Gewebe im Auge reagiert auf die Hypoxie.

Das Gewebe reagiert nun mit dem Anschalten von bestimmten Genen und produziert hiermit Proteine die eine sogenannte Angiogenese bewirken. Eine Angiogenese ist die Neubildung und das Wachstum von Blutgefäßen.

So konnten vor allem drei Proteine vermehrt im Auge festgestellt werden. Diese drei Proteine sind

  • Vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor A (VEGF-A).
  • Chemokin.
  • Insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor (Protein 2).

Es wurden auch noch eine Reihe anderer Proteine gefunden, die an einer Neubildung von Blutgefäßen beteiligt sind. Aber auf die drei oben erwähnten wird zur Zeit in der Forschung am meisten Augenmerk gelegt.

Diese Proteine führen zu einer abweichenden Angiogenese und verschiedene Folgeerkrankungen einschließlich Blutungen im Glaskörper, Makulaödeme und Netzhaut Fibrose. 

Die neuen Blutgefäße können sich auch bis in die vordere Augenkammer fortbilden und damit zu Gefäßneubildung in und um die Iris  herum führen.  Diese Gefäßauswüchse werden als NVA (Neovascularization of the Angle) bezeichnet.

Der NVA führt irgendwann zu einer sogenannten Synechie. Dies bezeichnet eine Verwachsung von Gewebe. Die Synechie kann dann zur Druckänderungen beim Kammerwasser führen und damit den Augeninnendruck (IOP) erhöhen was zu einem neovaskulärem Glaukom (NVG) führt. Dabei werden verschiedene Glaukome unterschieden. So zum Beispiel das Hochdruckglaukom, beim dem sich der Druck langsam erhöht und dadurch der Sehnerv geschädigt wird, oder auch das Normaldruckglaukom, bei dem der Sehnerv durch andere Ursachen geschädigt wird. Bei einem Normaldruckglaukom kann aber der Augeninnendruck sehr schnell ansteigen.

Untersuchungsmethoden

Das Ausmaß der retinalen Ischämie kann durch eine Fluoreszenzangiographie  (IVFA) bestimmt werden.

In fortschrittlichen Augenkliniken kann auch die Korrelation zwischen Netzhautvenen Tortuosität und dem okularen, vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) untersucht werden.

Behandlung eines NVG

Laser

Der aktuelle Goldstandard für die Behandlung eines neovaskulären Glaukoms (NVG) ist eine Laser Behandlung die man Panretinal Photocoagulation (PRP) nennt. Das Ziel der PRP ist durch viele kleine Verbrennungen in der Netzhaut den Sauerstoffbedarf der Retina zu verringern und damit die oben erwähnte Angiogenese zu behindern. Diese Laserbehandlung erfolgt in mehreren Sitzungen. Allerdings kommt diese Behandlung für einige Patientengruppen nicht in Frage.

Antikörper

Eine andere Möglichkeit ist die intraokulare Verabreichung von Anti-VEGF-Antikörpern, um die Wirkung der neu gebildeten Proteine zu blockieren. Neuere Studien konnten zeigen, dass die Verabreichung dieser Antikörper zu einer schnellen Rückbildung der neuen Blutgefäßen in der vorderen Augenkammer und damit auch zu einem kurzfristigen Rückgang des Augeninnendrucks führen kann.

Die am häufigsten verwendeten Anti-VEGF-Mittel, Bevacizumab und Ranibizumab haben eine eingeschränkte  Affinität zu VEGF-Isoformen und bieten daher keine langfristige Lösung. Auch neuere Studien konnten zeigen, dass diese Antikörper Gefäßneubildungen nur verzögern, aber nicht verhindern. Aus diesen Gründen werden zur Zeit neue Antikörper entwickelt. Einen will ich hier kurz vorstellen:

 Aflibercept

Aflibercept ist eine neues rekombinantes Fusionsprotein mit höherer Bindungsaffinität zu VEGF-Isoformen
sowie Plazenta-Wachstumsfaktoren. Bei einer klinischen Studie 2015 konnten in der Zeit von 52 Wochen sehr beeindruckende Ergebnisse erzielt werden. Momentan läuft mit dem Wirkstoff eine weitere, größere klinische Studie (4).

Operation

Sobald ein erheblicher Verschluss aufgetreten ist, ist eine Glaukoma Operation unumgänglich. Die herkömmlichen Methoden wie die Laser Trabekulotomie erzielt oft nicht die gewünschte Wirkung. Allerdings sollen die Erfolgsraten deutlich höher sein, wenn vorher eine antivaskuläre Behandlung (siehe oben) durchgeführt wurde (1).

 

Augen

Vaskuläre Fehlregulationen  in primären Offenwinkelglaukomen nach (5) 2015

In primären Offenwinkelglaukom (POAG) gibt es keine offensichtlichen Anomalien. Bis heute gibt es auch keine Anhaltspunkte weshalb der Augeninnendruck (IOP) erhöht ist. Bei erhöhtem IOP spricht man auch von einem Hochdruckglaukom - high tension glaucoma (HTG). Im Gegensatz zu Hochdruckglaukomen weiß man bei sogenannten Normaldruckglaukomen (NTG) nicht, warum der Sehnerv geschädigt wird.

Der Begriff primäres Offenwinkelglaukom (POAG) fasst also mehrere verschiedene Krankheiten zusammen, auch sogenannte Pseudoexfoliations- und Pigmentglaukome. Auf letztere will ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen.

Eine gängige Hypothese ist, dass das POAG durch verschiedene chemische, endotheliale Signale verursacht wird. Bei einer Studie mit Patienten mit einem Normaldruckglaukomen (NTG) konnte gezeigt werden,  dass die Blutgefäße im Unterarm eine gestörte Reaktion der Gefäße aufweisen (6). Inzwischen konnte bei mehreren Untersuchungen gezeigt werden, dass sowohl HTG Patienten, als auch NTG Patienten Anomalien in den Gefäßen haben, die von den Zentralarterien weg führen. So gibt es beim Offenwinkelglaukom (OAG) Hinweise auf vaskuläre Fehlregulationen in den Aderhaut, dem Sehnervenkopf, den Zentralarterien und den Makula Kapillaren. Eigentlich erstrecken sich die Probleme auf das gesamte zerebrale Gefäßsystem.

Papille

Genetische Faktoren

Es wurden bisher mehrere genetische Variationen gefunden, die mit einem POAG in Verbindung gebracht werden.

  • Das NOS3 Gen und der Stickstoffmonoxid Synthase 3 Kreislauf.
  • Die Gene GUCY1A3 und GUCY1B3 die an der  Guanylatcyclase beteiligt sind.
  • Das Gen LMX1B (Homeobox-Transkriptionsfaktor-1 beta).
  • Das SLC1A1 Gen und ein rs10739062 Polymorphismus.

 

Der Stickstoffmonoxid Synthase 3 Kreislauf

Blutungen in der Papille treten bei allen chronischen Offenwinkelglaukomen auf. Allerdings sind sie bei NTG besser sichtbar, als beim HTG, da der hohe Druck bei HTGs die Mikroblutungen besser absorbiert.

Falls diese Einblutungen auf einen gestörten Stickstoffmonoxid Synthase 3 Kreislauf hindeutet (NOS3), müssten Tropfen, die diesen Kreislauf verbessern, die Blutungen stoppen können und auch den Sehnerv entlasten. Eine interessante Studie konnte dies für Brimonidin/Timolol bei Patienten mit einem Normaldruckglaukoma (NTG) bestätigen (7). Allerdings bringt die Behandlung mit Brimonidin, abgesehen von den Nebenwirkungen, auch einige Nachteile. In einer Studie über drei Jahre konnte kein Unterschied zwischen dem Fortschreiten des Glaukoms in der behandelten und unbehandelten Gruppe festgestellt werden. Auch wurden die Patienten bei der ersten Studie zusätzlich einer Laseroperation unterzogen.

 

Schlußfolgerungen von Pasquale (5)

Auch wenn man nicht behaupten kann, dass der Stickstoffmonoxid Synthase 3 Kreislauf  alleine ausreicht, ein POAG zu erklären oder zu verstehen, so spielt der Kreislauf doch eine zentrale Rolle; sowohl bei Hochduck- als auch bei einem Normaldruck- Glaukom. Pasquale hebt vor allem die Rolle der Genetik bei der Entstehung eines Glaukoms hervor. Es scheint, dass eine Arteriosklerose mit Endothelzellproliferation keinen Anteil an der endothelialen Fehlfunktion bei einem POAG hat.

Darüber hinaus haben POAG Patienten kein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten. Um die Krankheit zu verstehen, sind weitere Untersuchungen auf den Gebieten der genetischen Epidemiologie, Immunologie und Herz-Kreislauf Geschehen nötig.

Augen

 

Glaukom Medikamente und ihre Kombination nach Babić (8)

Tabelle 1 Kombinationsmedikamente nach Babić (8)
Wirkstoff 1 Wirkstoff 2 Handelsname
Bimatoprost 0.03% Timolol 0.5% Ganfort®
Latanoprost 0.005% Timolol 0.5% Xalacom® Xalcom®
Travoprost 0.004% Timolol 0.5% DuoTrav®
Dorzolamide 2% Timolol 0.5% Cosopt®
Brinzolamide 1% Timolol 0.5% Azarga®
Brimonidine 0.2% Timolol 0.5% Combigan®
Brinzolamide 1% Brimonidine 0.2% Simbrinza®

 

Latanoprost/Timolol

Die erste feste Kombination eines Prostaglandin-Analogon und β-Blockers die auf dem Markt war. Diese Kombination ist wirksamer als die Einzelwirkstoffe, um den Augeninnendruck bei Patienten mit POAG zu verringern. Laut Babić soll diese Kombination vor allem für Patienten gut sein, die einige Tropfen wegen dem Konservierungsmittel Benzalkoniumchlorid (BAK) nicht gut vertragen, da diese Kombination nur einmal täglich verabreicht werden soll.

Travoprost/Timolol

Diese Kombinationstherapie wird verwendet, wenn die Behandlung mit Travoprost und Timolol als Monotherapie den Augeninnendruck nicht ausreichend senken kann. Travoprost/Timolol ist die einzige Kombination ohne das Konservierungsmittel BAK ("BAK-free"). Es enthält als Konservierungsmittel "Polyquad", das weniger toxisch auf die Augenoberfläche wirken soll. Deshalb treten weniger Nebenwirkungen auf und da diese Kombination auch nur einmal morgens verabreicht wird, ist diese Kombination besser verträglich.

Bimatoprost/Timolol

Dies ist ein neueres Kombinationsmittel, das eingesetzt wird, wenn die anderen Mittel den Augeninnendruck nicht ausreichend senken können. Diese Kombination soll den Augeninnendruck von allen Kombinationspräparaten am besten senken können. Es wird auch nur einmal täglich, morgens verwendet.

Dorzolamide/Timolol

Dorzolamid ist ein Carboanhydrasehemmer, der die Kammerwasserproduktion reduziert und wird häufig
als Zusatztherapie zu Timolol verschrieben. Diese Kombination wird bei NTG-Patienten empfohlen, die Latanoprost nicht vertragen (11). Diese Kombination muss zweimal täglich verabreicht werden, um den Augeninnendruck zu senken.

Brinzolamide/Timolol

Dies ist ein neueres Kombinationsmittel, um den Augeninnendruck zu senken. Der Vorteil von Brinzolamid/Timolol ist in einer höheren Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil. Patienten bevorzugen diese
Kombination über die Dorzolamid/Timolol. Dies ist wahrscheinlich auf Unterschiede im Puffersystem und des pH-Wertes zurückzuführen. Auch diese Kombination muss zweimal täglich verabreicht werden.

Brimonidine/Timolol

Auch dieses Kombinationsmittel soll den Augeninnendruck senken, wenn andere Mittel einzeln oder in Kombination nicht so gut wirken, bzw. schlecht vertragen werden. Vor allem Patienten, die mit Dorzolamide/Timolol nicht den gewünschten Druck erreichen, können diese Kombination ausprobieren. Auch diese Kombination muss zweimal täglich verabreicht werden.

Brinzolamide/Brimonidine

Ein neueres Produkt auf dem Markt und und die einzige Kombination, die ohne einen β-Blocker auskommt. Die Wirkung beruht auf andere Mechanismen. Brinzolamid verringert die Kammerwasserproduktion und Brimonidin verringert ebenso die Kammerwasserproduktion und erhöhte gleichzeitig den uveoskleralen Abfluss.  Diese Kombination muss dreimal täglich verabreicht werden.

 

Schlussfolgerung nach Babić (8)

Für Patienten mit primären Offenwinkelglaukomen und hohem Augeninnendruck bieten Kombinationstherapien Vorteile in Bezug auf Nebenwirkungen. Trotzdem wird die Kombinationstherapie nicht als Erstbehandlung empfohlen. Wenn jedoch ein sehr fortgeschrittenes Glaukom mit sehr hohem Augeninnendruck besteht, oder die gewünschte Drucksenkung mit einem Einzelpräparat nicht erreicht werden kann, sollte man eine  Kombinationstherapie versuchen. Wenn die Kombinationstherapie den Augeninnendruck nicht mehr ausreichend reduzieren kann, kann man verschiedene Wirkstoffe zur Kombination hinzufügen.

Eine Kombinationstherapie mit zusätzlich einem dritten Medikament ist die maximale medikamentöse Therapie.  Nach diesem Stadium muss eine Operation in Betracht gezogen werden.

Augen

Literatur zum Normaldruckglaukom

Das Normaldruckglaukom (NTG) ist eine Krankheit, bei der der Augeninnendruck (IOP) im normalen Bereich bleibt, deshalb bildet es eine Ausnahme bei den Krankheiten der primären Offenwinkelglaukome (POAG). Es wird heute angenommen, dass diese Krankheit in Verbindung mit oxidativem Stress und einer Dyslipidämie steht. Eine Dyslipidämie ist eine Fettstoffwechselstörung. Bei einer Studie mit 32 NTG Patienten und 40 gesunden Probanden von 2016 wurde festgestellt, dass eine Hyperlipoproteinämie (HLP), also eine erhöhte Konzentration des Cholesterins, der Triglyceride und der Lipoproteine besteht (10).

Auge

In vielen Studien wurden Augeninnendruck unabhängige Faktoren bei Patienten mit NTG untersucht. Trotzdem bleibt vorerst die einzige bewährte Behandlung, die effektiv das Fortschreiten eines Glaukoms verhindern kann,  eine Verringerung des IOP (11). Latanoprost ist hierbei seit 1996 das Medikament erster Wahl. Bei einer Studie von 2016 wurde die Wirkung von Latanoprost im Vergleich zu Dorzolamide/Timolol (siehe oben) untersucht. Hierbei wurde kein großer Unterschied zwischen beiden Medikamenten gefunden (11). Die Therapie mit Dorzolamide/Timolol bietet sich also für Patienten an, die Latanoprost nicht vertragen.  Allerdings wird auch bei Timolol von eine Reihe unerwünschter Nebenwirkungen berichtet.

Des weiteren kann eine Verringerung des Augeninnendrucks das glaukomatöse Fortschreiten der Krankheit bei vielen Patienten mit NTG nicht nicht stoppen (11).  Bei NTG Patienten wird die Rolle des okularen Blutflusses als potentieller Risikofaktor für die Entstehung diskutiert. Deshalb haben viele Patienten trotz einer signifikanten Reduktion des IOP fortschreitende anatomische und funktionellen Schäden am Sehnerv. Aus diesen Gründen schlägt Lee et al. vor, dass der diastolische  Perfusionsdruck im Auge wichtiger sei, als der Augeninnendruck, um den Nervenschaden zu bestimmen (11).

Auge

Obwohl ein erhöhter Augeninnendruck definitiv ein wichtiger Risikofaktor für Schäden am Sehnerv ist, gibt es Hinweise darauf, dass eingeschränkte Gewebedurchblutung gerade bei NTG Patienten eine große Rolle spielt. Deshalb haben Medikamente, die zusätzlich eine Auswirkungen auf den Blutfluss haben, eine große klinische  Bedeutung. Studien konnten diese Wirkungen der nicht selektiven β-Rezeptorenblocker, einschließlich Timolol, Carteolol und Betaxolol, auf die  Blutzirkulation zeigen (12). Neuere Studien zeigen auch, dass Medikamente wie Latanoprost, signifikant die Blutgeschwindigkeit und den Blutfluss erhöhen können (12).

 

Auge

Im Januar 2016 kam in der Fachzeitschrift  "Ophthalmic Genetics" eine Japanische Studie heraus, die das Gen SLC1A1 bei 792 Probanden untersuchte (9). Ein Vergleich von 293 Patienten mit Normaldruckglaukoma mit 500 gesunden Probanden zeigte einen rs10739062 Polymorphismus mit einen dominierenden Einfluss. Personen mit Genotyp GG und GC zeigte ein 1,91-fach erhöhtes Risiko, verglichen mit Genotyp CC (9).

Auge

 

 

(1) Current management of glaucoma and vascular occlusive disease. Ahmad A. Aref. Curr Opin Ophthalmol. (2015)

(2) Initiativkreis zur Glaukom-Früherkennung e.V.

(3) Neovascular glaucoma. Etiologic considerations.Brown GC, Magargal LE, Schachat A, Shah H. Ophthalmology (1984)

(4) SooHoo JR, Seibold LK, Pantcheva MB, Kahook MY. Aflibercept for the treatment of neovascular glaucoma. Clin Experiment Ophthalmol 2015. In this preliminary prospective case series of four individuals with newly diagnosed neovascular glaucoma, intravitreal aflibercept injections were found to stabilize intraocular pressure and lead to regression of ocular neovascularization at 52 weeks of follow-up. This study suggests that intravitreal aflibercept may allow for longer term treatment compared with bevacizumab and ranibizumab. A larger, comparative trial is currently underway (ClinicalTrials.gov #NCT01711879).

(5) Vascular and autonomic dysregulation in primary open-angle glaucoma. Louis R. Pasquale. Curr Opin Ophthalmol. (2015)

(6) Peripheral endothelial dysfunction in normal pressure glaucoma. Henry E, Newby DE,Webb DJ, O’Brien C Invest Ophthalmol Vis Sci (1999)

(7) The Low-Pressure Glaucoma Study Group. Krupin T, Liebmann JM., Greenfield DS. A randomized trial of brimonidine versus timolol in preserving visual function: results from the Low-Pressure Glaucoma Treatment Study. Am J Ophthalmol (2011)

(8) Fixed Combinations of Glaucoma Medications. Nikola Babić. Srp Arh Celok Lek. (2015)

(9) SLC1A1 Gene Variants and Normal Tension Glaucoma: An Association Study. Mami Nishisako et al. Ophthalmic Genet. (2016)

(10) Higher serum lipids and oxidative stress in patients with normal tension glaucoma, but not pseudoexfoliative glaucoma. Necat Yilmaz et al. BOSNIAN JOURNAL OF BASIC MEDICAL SCIENCES (2016)

(11) Comparison of the Effects of Dorzolamide/Timolol Fixed Combination versus Latanoprost on Intraocular Pressure and Ocular Perfusion Pressure in Patients with Normal-Tension Glaucoma: A Randomized, Crossover Clinical Trial. Na Young Lee, Hae-Young Lopilly Park, Chan Kee Park. PLoS One (2016)

(12) Ocular Blood Flow and Normal Tension Glaucoma. Ning Fan,Pei Wang, Li Tang, Xuyang Liu. BioMed Research International (2015)

Text und Fotos dürfen unter den Bedingungen der Creative Commons Attribution Share-Alike license (CC-BY-SA) gerne ganz oder teilweise kopiert und zitiert werden.

Februar 2016, aktualisiert November 2016

Entgegen der Meinung, dass das Gehirn für den Darm verantwortlich ist, ist es tatsächlich so, dass der Darm weitaus mehr Informationen an das Gehirn sendet. Der alte Glaube, dass die Gesundheit im Magen beginnt scheint sich bei neuesten Forschungen immer mehr zu bewahrheiten.

Darmflora ist die Bezeichnung aller Mikroorganismen im Verdauungstrakt. Im menschlichen Darm sollen etwa 38 Billionen Bakterien leben (6). Dazu kommt noch das Phageom mit wohl 380 Billionen Phagen, das nach neuesten Erkenntnissen auch eine sehr große Rolle spielt (7). Die Oberfläche vom Darm hat etwa 32 m² (8).

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Bakterien auf Agar

Das Mikrobiom und der Vagusnerv

Neueste Forschung hat einen Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung unserer Darmflora und dem Funktionieren des Immunsystens, des Nervensystems und dem endokrinen (hormonelles) Gleichgewicht bestätigt. In einigen Untersuchungen wird diskutiert, ob Bakterien den Vagusnerv, der aus dem Verdauungstrakt in das Gehirns läuft, beeinflussen.

Es wird heute in der wissenschaftlichen Forschung untersucht inwieweit die Darmflora selber das Essverhalten des Menschen manipulieren kann (1). Wie bei jeder komplexen Interaktion, wie der vom menschlichen Nährstoffbedarf und dem Nährstoffbedarf der unterschiedlichen Darmflora, gibt es eine Mischung von gemeinsamen und auch entgegengesetzten Interessen, mit Möglichkeiten zum gegenseitigen Nutzen und auch Manipulation (1).

Dies bedeutet, dass ein breites Spektrum an verschiedenen Darmmikroben viel Energie und Ressourcen an die Bekämpfung der Konkurrenz verbraucht. Dagegen haben große Populationen einiger weniger Mikroben mehr Ressourcen den Wirt, also den Menschen, zu manipulieren. Zusätzlich ist eine große Population an gleichen Mikroben leichter in der Lage zu manipulieren, da sie sich besser Koordinieren können (sogenanntes Quorum Sensing). Aus diesen Gründen wird heute eine geringe Vielfalt in der Darmflora und dem Mikrobiom mit einer ungesunden Ernährung, verschiedenen Krankheiten und auch mit Übergewicht in Zusammenhang gebracht (1).

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Der Vagusnerv und seine Verbindungen zu den einzelnen Organen.

 

Warum Sie Ihre Darmflora optimieren sollten

In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass Menschen die viel fermentierte Lebensmittel zu sich nehmen, Nährstoffe besser aufschließen können (2, 9). Die Nebenprodukte der Gärung helfen unserem Körper Fett abzubauen und den Blutdruck zu regulieren (3). Auch beeinflussen sie die Zusammensetzung des Blutes, dienen als Neurotransmitter und regulieren die Funktion des Nervensystems (4). Bei der Fermentation produzieren einige Bakterien natürliche Antibiotika und Verbessern die Vitaminversorgung. Die Probiotika stärken das Immunsystem und unterstützen dabei die allgemeine Gesundheit des Verdauungssystems und des ganzen Körpers (1).

Ebenso führt eine pflanzenbasierte Ernährung zu einer verringerten Neurodegeneration und verringerten Entzündungsreaktionen im Körper. Die Phagozytose, also die Müllabfuhr im Körper, wird aktiviert. Ist die Phagozytose gestört, kommt es zu einer Anreicherung von fehlerhaften Proteinen. Durch die Ernährung und auch durch Fasten kann man die Phagozytose beeinflussen.

Mein Vortrag dazu bei nikoLAB:

 

5 Gründe warum man fermentierte Lebensmittel essen sollte:

  1. Eine gute, ausgeglichene Darmflora kann Krankheiten wie Allergien, Asthma, Pilzinfektion, Verstopfung und einen Reizdarm lindern oder sogar heilen.
  2. Lebensmittel, die reich an wertvollen Enzymen sind, erhöhen die Anzahl der Antikörper und stärken damit das Immunsystem. Als Folge können Infektion besser bekämpft werden.
  3. Die Verdauungsenzyme tragen zur Verarbeitung von Lebensmitteln im Körper bei und sorgen für die richtige Aufnahme von Nährstoffen aus der Nahrung.
  4. Lebensmittel mit vielen verschiedenen Vitaminen tragen zur Bildung von zusätzlichen Nährstoffen wie Omega-3-Fettsäuren und mehrfach ungesättigten Fettsäuren bei.
  5. Durch die hohe Konzentration an Antioxidantien können sie freie Radikale unschädlich machen.

Die zentrale Rolle des Mikrobioms bei Krankheiten wird seit einem halben Jahrhundert von experimentellen und klinischen Studie unterstützt (5).

 

So optimieren Sie ihre Darmflora

Vermeiden Sie verarbeitete und raffinierte Lebensmittel in Ihrer Ernährung.

Essen Sie möglichst Lebensmittel aus biologischem Anbau, damit vermeiden Sie Antibiotika und Pestizide.

Essen Sie möglichst viel fermentierte, nicht pasteurisierte Lebensmittel:

Apfelessig

Kimchi
Sauerkraut

Sauerteig
Lievito Madre

Sojasoße (traditionell)
Miso

Natto

Tempeh

Jun Tee
Kombucha
Tibicos
Kefir
Kwass

Man kann fast jedes Gemüse vergären. Der Prozess ist relativ einfach gut in  Griff zu bekommen. Stellen Sie Ihre eigenen hausgemachten fermentierten Produkte einfach selber her.

Wer gerne zusätzliche Infos will, hat oder gerne darüber diskutiert, der ist in meinem Forum willkommen: http://www.dr-nepomuk.de/forum/

 

(1) Is eating behavior manipulated by the gastrointestinal microbiota? Evolutionary pressures and potential mechanisms. Joe Alcock, Carlo C. Maley, C. Athena Aktipis. Bioessays (2014)

(2) Increased iron bioavailability from lactic-fermented vegetables is likely an effect of promoting the formation of ferric iron (Fe3+). Nathalie Scheers, Lena Rossander-Hulthen, Inga Torsdottir, Ann-Sofie Sandberg. European Journal of Nutrition. (2015)

(3) Blood Pressure-Lowering Peptides from Neo-Fermented Buckwheat Sprouts: A New Approach to Estimating ACE-Inhibitory Activity. Masahiro Koyama, Seiji Hattori, Yoshihiko Amano, Masanori Watanabe, Kozo Nakamura. PLOS ONE (2015)

(4) The gut microbiome and diet in psychiatry: focus on depression. Dash Saraha, Clarke Gerard, Berk Michaela, Jacka Felice. Current Opinion in Psychiatry (2015)

(5) The microbiome and critical illness. Robert P Dickson. The Lancet Respiratory Medicine (2015)

(6) Revised estimates for the number of human and bacteria cells in the body. Ron Sender, Shai Fuchs, Ron Milo. Biorxiv (2016).

(7) Healthy human gut phageome. Pilar Manrique, Benjamin Bolduc, Seth T. Walk, John van der Oost, Willem M. de Vos, Mark J. Young. PNAS (2016).

(8) Surface area of the digestive tract -revisited. Helander & Fändriks. Scandinavian Journal of Gastroenterology (2014).

(9) Role of gut microbiota and nutrients in amyloid formation and pathogenesis of Alzheimer disease. Francesca Pistollato, Sandra Sumalla Cano, I~naki Elio, Manuel Masias Vergara, Francesca Giampieri, Maurizio Battino. Nutr Rev. (2016)

 

Text und Fotos dürfen unter den Bedingungen der Creative Commons Attribution Share-Alike license (CC-BY-SA) gerne ganz oder teilweise kopiert und zitiert werden.