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März 2016

Angeregt durch die Aufregung um Glyphosat wollte ich hier mal untersuchen welche sogenannten Pflanzenschutzmittel in unseren Lebensmitteln alle zugelassen sind und mit welchen Rückstände auf ausgesuchten Nahrungsmitteln zu rechnen ist. Hierfür habe ich die Datenbank des United States Department of Agriculture ebenso als Quelle durchsucht wie Seiten des Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und das Bundesumweltamt.

Die meisten Großabnehmer von landwirtschaftlichen Produkten haben eine genaue Vorstellung, wie das Produkt auszusehen hat. Schon eine Farbänderung der Früchte kann bei konventionellen Landwirten zu einem empfindlichen Einkommensverlust führen. Deshalb können sie es sich nicht leisten, einen Teil ihrer Ernte an diverse Krankheiten zu verlieren. Aus diesen Gründen versuchen sie ihre Verluste durch den massiven Einsatz von Pestiziden zu begrenzenapfel k.

Rückstände auf Obst und Gemüse

Das United States Department of Agriculture gibt jährlich ein Bericht heraus welche Chemikalien auf den Lebensmitteln gefunden wurden. Auf konventionellen Äpfeln konnten Rückstände von 47 verschiedenen Pestiziden in unterschiedlichen Konzentrationen gemessen werden. Darunter waren bekannte oder wahrscheinliche Karzinogene, mutmaßliche endokrinen Disruptoren, Neurotoxine,  entwicklungs- oder reproduktionstoxische Stoffe und viele bienengiftige Substanzen.

Auch in Deutschland werden solche Daten veröffentlicht. So hat die Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg bei einer Untersuchung von  Kirschen aus konventionellem Anbau insgesamt 32 verschiedene Wirkstoffe nachweisen können (CVUA-Stuttgart).

Im folgenden versuche ich einige dieser Substanzen die regelmäßig auf konventionellem Obst und Gemüse zu finden sind, alphabetisch aufzuschlüsseln:

apfel G

 

Acetamiprid: In Deutschland zugelassen als Mospilan SG  oder Danjiri bei allem Gemüse, Obst, Nüssen und Zierpflanzen als Insektizid. Acetamiprid ist stark bienengiftig und zählt zu den Neonicotinoiden. Acetamiprid wirkt auf menschliche Zellen stark zytotoxisch und im Zusammenspiel mit den verwendeten, geheimen Zusatzstoffen (Adjuvants) über 1000 mal stärker als vom Hersteller angegeben (6).

Amitraz: Amitraz einschließlich seiner Metaboliten wird als Insektizid eingesetzt und ist in Deutschland verboten. Das Insektizid konnte in der Vergangenheit auf Obst vor allem aus der Türkei und Spanien gefunden werden (2).

Azinphosmethyl: Azinphosmethyl wird als Breitband-Insektizid im Anbau verschiedener Früchte und Gemüse eingesetzt und ist aufgrund seiner Toxizität (Hormon-Disruptor, Neurotoxin) seit 2006 in der EU verboten. Trotzdem wird es immer wieder auf importierten, konventionellen Äpfeln oder auch auf Petersilie gefunden.

Mit dem Pestizid hat Bayer in Schottland erstmals seit dem 2. Weltkrieg Menschenversuche durchgeführt und den seit 50 Jahren geltende "Nürnberger Kodex" gebrochen. Im Auftrag der Bayer AG wurde im Jahr 1998 in Schottland acht Männer Azinphosmethyl Tabletten unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verabreicht:

...„Turnbull war 1998 eine von 50 Testpersonen, die für einen Lohn von umgerechnet 1.100 Euro im Inveresk Research Laboratory eine Pille mit Azinphos-Methyl schluckten und daraufhin sieben Tage lang beobachtet wurden. "Wer vor Ablauf der Woche nach Hause ging, musste eine Strafe zahlen. Danach habe ich nie wieder von dem Institut gehört und bin auch nicht mehr ärztlich untersucht worden." Auch der Auftraggeber der Testreihe wurde den Probanden nicht mitgeteilt.

Erst vier Jahre später erfuhr Turnbull von Journalisten mehr über die Versuche: Azinphos-Methyl ist kein Medikament, sondern ein Pestizid aus der Klasse der Organophosphate, welches von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als "hochgefährlich" bezeichnet wird. Hinter der Untersuchung steckte der Leverkusener Konzern Bayer."... Aus der taz vom 02.11.2002.

Bitertanol:  Bitertanol und Dichlofluanid werden als Fungizid  bei Obst und Gemüse verwendet und sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht zugelassen. Aus diesen Gründen stellt dieses Fungizid nur bei Obst (Kirschen) und Gemüse aus dem konventionellen Anbau aus dem Ausland ein Problem dar.

Boscalid: siehe Epoxiconazol

Carbaryl: Carbaryl ist ein Insektizid das wegen seiner großen Toxizität in der EU nicht zugelassen ist. Trotzdem werden gelegentlich Rückstände in diversen Lebensmitteln gefunden. So bei WeinblätternObst, speziell aus Argentinien und Chile; Trauben und bei Wein.

Chlorantraniliprol: In Deutschland zugelassen als CORAGEN oder Dantop bei Kohl, Mais, Kernobst, Kräutern und auch Zierpflanzen als Insektizid gegen Läuse, Zikaden und Fliegen. Chlorantraniliprol  bewirkt die Freisetzung von Kalzium aus interzellulären Speichern beim Menschen, reguliert zwei Gene hoch (GPR18 und SLC7A11) und ist immunotoxisch (5).  Chlorantraniliprol ist als Insektizid stark bienengiftig.

Chlorpyrifos: Chlorpyrifos ist ein Insektizid das in der EU seit 2005 eine Zulassung hat. Es ist auch für den Menschen stark toxisch und wirkt als Neurotoxin. So konnten neurologische Effekte, Mißbildungen, Entwicklungsstörungen, Maternaltoxizität, Fetotoxizität, induzierte Zell-Apoptose und DNA-Brüche nachgewiesen werden (7). Es ist allgemein ein potentes genotoxisch Mittel (7,8). Rückstände finden sich auf vielen importierten konventionellen Früchten und Gemüsen. Dazu zählen vor allem Bananen, Erdbeeren, Gemüse und Kräuter. Siehe auch "Pflanzenschutzmittelrückstände in Frischgemüse 2013" vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes (CVUA) Stuttgart.

Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Chlorpyrifos sind in Deutschland seit 2015 nicht mehr zugelassen. Die Zulassung wurde für diese Mittel auf Antrag des Zulassungsinhabers widerrufen, da es aufgrund neuerer Veröffentlichungen zuvor eine Änderung der toxikologischen Grenzwerte im Prüfbereich Gesundheit gegeben hat.(schriftlich Mitteilung vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) im März 2016).

Diazinon: Diazinon ist ein nicht-systemisches Insektizid und Akarizid das wegen seiner großen Toxizität in der EU seit 2011 verboten ist. Trotzdem werden gelegentlich Rückstände auf Äpfeln, Erdbeeren, Kirschen und bei Pilzen gefunden.

Diflufenican: Siehe Isoproturon

Dimethoat: Dimethoat ist ein in Deutschland zugelassenes Insektizid, das hier vor allem bei Spargel, Kohl und an Zierpflanzen eingesetzt wird. Die Substanz wirkt als starkes Nervengift auch beim Menschen.  Trotz vorgeschriebener Wartezeiten kann es bei Untersuchungen von Obst und Gemüse immer wieder nachgewiesen werden.

Diphenylamin (DPA): Diphenylamin wird in der Landwirtschaft als Fungizid eingesetzt und hemmt die Oxidation eines bestimmten Terpens, wodurch die Bräunung der Schale behindert wird. Diphenylamin ist in der EU aufgrund seiner Giftigkeit verboten. Trotzdem wurde es auf Obst in Stichproben gefunden. Wirkstoffe, die in Deutschland allgemein nicht zugelassen sind und in deutschen Obst- und Gemüseproben gefunden wurden.

Dodin: Dodin ist ein Fungizid, das in Deutschland auf Obst zugelassen ist. 

Endosulfan: Endosulfan und seine Isomere  ist ein neurotoxisches Insektizid und in der EU verboten. Endosulfan ist eine östrogen wirkende Verbindung, beeinflusst die Fortpflanzungsfähigkeit und bewirkt Entwicklungsstörungen bei Föten. Ebenso ist es wahrscheinliche karzinogen und ein Nervengift. Endosulfan wurde in Südamerika in großen Mengen auf Soja (Tierfutter) ausgebracht und gelangt durch die Abdrift über das Wasser auch auf biologisch bewirtschafteten Flächen. Obwohl es heute angeblich überall verboten ist, finden sich dennoch Rückstände auf Nahrungsmitteln.

Epoxiconazol: Epoxiconazol , Boscalid, Prochloraz und  Kresoxim-methyl sind in Deutschland zugelassene Fungizide die zumeist in einer Mischung verwendet werden. Man findet diese Fungizide in Spritzmittel bei Spargel, auf vielen Gemüsen und Obst. Je nach Hersteller sind unterschiedliche, geheime oder nicht geheime Vernetzungsmittel, bzw. Adjuvants, beigemischt, die die Toxizität deutlich erhöhen (6). Diese Fungizide wirken stark toxisch bei einer menschlichen Schwangerschaft und beeinflussen die Entwicklung des menschlichen Fötus (11, 12). Ebenso wirken Mischungen von Azolfungiziden auf die intrazelluläre Calciumkonzentration beim Menschen (13). Die Fungizide zählen zu den antiandrogenen (männlichen Sexualhormone hemmende) Pestiziden (14).

Fenbuconazol: Fenbuconazol ist ein Fungizid das in der EU und der Schweiz, aber nicht in Deutschland und Österreich zugelassen ist. Höchstmengenüberschreitungen wurden auf Kirschen gefunden (CVUA-Stuttgart), aber auch auf anderem Obst und Gemüse, vor allem aus Marokko (Bayerisches Landesamt für

Gesundheit und Lebensmittelsicherheit). Fenbuconazol ist ein endokriner Disruptor und wirkt als Inhibitor der humanen Aromatase. Das heißt, es blockiert ein Enzym, das  die Umsetzung von Testosteron zu Estradiol und von Androstendion zu Estron katalysiert  (16).

Fenhexamid: Fenhexamid ist ein Fungizid das in Deutschland zugelassen ist und das man aus Salaten, Gemüse und auch Obst findet.

Fluopyram: Siehe Tebuconazol

Fluroxypyr: Fluroxypyr ist ein in Deutschland zugelassenes Herbizid. Je nach Hersteller sind unterschiedliche, geheime oder nicht geheime Vernetzungsmittel, bzw. Adjuvants, beigemischt, die die Toxizität deutlich erhöhen (6). Fluroxypyr wird vor allem auf Zwiebeln, Thymian und Kamille, eingesetzt.

Glyphosat: Glyphosat ist als Isopropylamin-Salz (45 Mittel), Wasserlösliches Konzentrat (8 Mittel), als Kalium-Salz (3 Mittel) oder als Ammonium-Salz (11 Mittel, darunter Roundup) ein in Deutschland zugelassenes Herbizid. Je nach Hersteller sind unterschiedliche, geheime oder nicht geheime Vernetzungsmittel, bzw. Adjuvants, beigemischt, die die Toxizität deutlich erhöhen (6, 9). Außer beim Getreide, wird Glyphosat bei Gemüsekulturen, Obst, Zierpflanzen, Rasen und in Baumschulen benutzt. Die produzierte Menge wurde laut Wikipedia für 2008 auf 600.000 Tonnen Glyphosat geschätzt.

Biene

Imidacloprid: Imidacloprid ist ein systemisches Insektizid aus der Gruppe der Neonicotinoide  und wird vor allem gegen saugende Insekten eingesetzt. Je nach Hersteller sind unterschiedliche, geheime oder nicht geheime Vernetzungsmittel, bzw. Adjuvants, beigemischt, die die Toxizität deutlich erhöhen (6).  Imidacloprid wird vor allem auf Salaten, bei Äpfeln, Pfirsichen, Aprikosen und Nektarinen eingesetzt. Neonicotinoide sind stark bienengiftig.

Isoproturon: Isoproturon und Diflufenican sind in Deutschland als Herbizid zugelassen. Von der Toxizität her gilt im Grunde das selbe wie für Glyphosat. Wobei auch hier die Toxizität vor allem durch diverse Adjuvants deutlich erhöht wird (6,9).

Kresoxim-methyl: siehe Epoxiconazol

2-Phenylphenol: Phenylphenol oder Natriumorthophenylphenolat ist ein Fungizid das zur Konservierung von Zitrusfrüchten eingesetzt wird. Es ist manchmal als Lebensmittelzusatzstoff  mit E231 oder E232 gekennzeichnet und mit einem Grenzwert von 12 mg/kg in der EU zugelassen. Gemäß der Richtlinie 2003/114/EG gehört Orthophenylphenol nicht mehr zu den Lebensmittelzusatzstoffen sondern wird  den Pflanzenschutzmitteln zugezählt. Dafür müsste das Fungizid jedoch zunächst als Pflanzenschutzmittel zugelassen werden. Da aber Orthophenylphenol auch weiterhin zur Behandlung von Zitrusfrüchten eingesetzt werden darf und die Europäische Kommission den Stoff bisher nicht als Pflanzenschutzmittel zugelassen hat, bleibt hier eine Lücke. Bis diese gesetzliche Lücke geschlossen ist, bleibt Orthophenylphenol als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen.

Natriumorthophenylphenolat ist karzinogen, reproduktionstoxisch und kann stake Allergien auslösen.

Phosmet: Phosmet ist ein Insektizid das in Deutschland und der Schweiz nicht zugelassen ist,  aber in der Europäischen Union als Insektizid und Akarizid erlaubt ist. In Österreich ist ein Präparat für die Anwendung gegen Kartoffelkäfer und Rapsglanzkäfer erhältlich. Phosmet wirkt ähnlich toxisch (Neurotoxin, möglich karzinogen) wie Chlorpyrifos (8) und es werden regelmäßig Rückstände auf importiertem, konventionellen Obst und Gemüse gefunden; vor allem auf Birnen.
Wirkstoffe, die in Deutschland allgemein nicht zugelassen sind und in deutschen Obst- und Gemüseproben gefunden wurden.

Pirimicarb: Pirimicarb ein in Deutschland zugelassenes Insektizid und wird vor allem gegen Blattläuse eingesetzt. Je nach Hersteller sind unterschiedliche, geheime oder nicht geheime Vernetzungsmittel, bzw. Adjuvants, beigemischt, die die Toxizität deutlich erhöhen (6). Pirimicarb wird vor allem auf konventionellen Salaten (Rucola, Endivien, Spinat), bei Artischoken, Kohl, Melonen, Gemüse (Tomaten, Gurken,  Auberginen, Meerrettich, Pastinak, Topinambur, Schwarzwurzel), Kräuter, Obst (Kirsche, Pflaume, Aprikose), Beeren (Himbeeren, Johanisbeeren) und auch auf Zierpflanzen, eingesetzt. Primcarb verursacht bei menschlichen Lymphozyten DNA-Schäden (10) und ist stark bienengiftig.

Prochloraz: siehe Epoxiconazol

Procymidon: Procymidon ist ein Fungizid und seit 1997 in Deutschland nicht mehr zugelassen.  Seit es 2007 zu Überschreitung der sogenannten Akuten Referenzdosis (ARfD) bei Tafeltrauben kam, ist seit 2008 auch in der EU verboten.

Pyrimethanil: In Deutschland zugelassen als PYRUS oder Scala in Erdbeeren oder Kernobst als Fungizid gegen Schorf oder Botrytis. Pyrimethanil ist ein mögliches Karzinogen und regt beim Menschen die Produktion von Östrogenen an (4).  Wegen zu hoher Rückstandsmengen in Kirschen hat die Lebensmittelüberwachung vor einem zu großen Verzehr vor allem bei Kleinkindern abgeraten (CVUA-Stuttgart).

Streptomycin: Streptomycin ist ein Antibiotika für das keine Zulassung  im Obstbau in Deutschland vorliegt. Trotzdem gab es eine Reihe von Ausnahmegenehmigungen für die Anwendung von streptomycinhaltigen Pflanzenschutzmittel im gewerblichen Obstbau. Hierfür muss in Baden-Württemberg ein „Notfallzulassungsantrag nach Art. 53“ gestellt werden. Wie oft und über welche Menge diese Anträge genehmigt werden und wurden wird nicht kommuniziert. Seit den späten 1950er Jahren bis heute wird tonnenweise Streptomycin unter dem Handelsnamen „Plantomycin“ in Obstplantagen versprüht – mit unerforschten Auswirkungen auf die Flora und Fauna.

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Seit dem 1. September 2008 gelten in der EU einheitliche Rückstandshöchstgehalte für Streptomycin in Honig von 10 μg/kg.  Deshalb wird den Imkern nach Einsatz eines streptomycinhaltigen Pflanzenschutzmittels im Erwerbsobstbau dringend angeraten ihren Honig beproben zu lassen. Nichtverkehrsfähiger Honig wird aufgekauft und entsorgt (17).

Aus obigen Auszug (17) der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft lässt sich schiessen, dass in Deutschland, im Gegensatz zu der Schweiz, der Honig nicht immer auf Rückstände untersucht wird. Aus diesem Grund gibt es aus der Schweiz wohl auch einige Berichte mehr über Streptomycin im Honig. So mussten 2011 allein im Thurgau neun Tonnen Honig wegen zu hohem Antibiotikagehalt vernichtet werden (18).

Ebenso müssen jedes Jahr mehrere Tonnen Honig aus der Bodensee Region wegen zu hoher Antibiotika Belastung in Biogasanlagen vernichtet werden. Der Landesverband Erwerbsobstbau zahlt den Imkern die Entschädigung, bekommt aber vom Land die Hälfte des Betrags zurück (19).

Streptomycin wird auch bei Tuberkulose (Mycobacterium tuberculosis), Pest (Yersinia pestis) und bakterieller Endokarditis (Staphylococcus aureus, Streptococcus, Enterococcus) eingesetzt und soll Menschen heilen.

Tebuconazol: Tebuconazol, Fluopyram und  Trifloxystrobin werden in der Landwirtschaft als Fungizide und als Holzschutzmittel eingesetzt. So findet es sich als Saatgutbeizung gegen eine Reihe von Pilzkrankheiten und auch als Spritzmittel auf Zwiebeln, Gemüse und Obst. Je nach Hersteller sind unterschiedliche, geheime oder nicht geheime Vernetzungsmittel, bzw. Adjuvants, beigemischt, die die Toxizität deutlich erhöhen (6). Diese Fungizide wirken stark toxisch bei einer menschlichen Schwangerschaft und beeinflussen die Entwicklung des menschlichen Fötus (11, 12). Ebenso wirken Mischungen von Azolfungiziden auf die intrazelluläre Calciumkonzentration beim Menschen (13). Die Fungizide zählen zu den antiandrogenen (männlichen Sexualhormone hemmende) Pestiziden (14).

Thiabendazol: Thiabendazol wird in der Landwirtschaft als Fungizid eingesetzt. In Deutschland und Österreich ist Thiabendazol als Tervanol oder Celaflor Wundbalsam Plus momentan nur für Bäume zugelassen. In der Schweiz darf Thiabendazol darüber hinaus auch zur Behandlung von Pflanzkartoffeln eingesetzt werden. Außerdem können in der Schweiz Gewächshäuser zur Bekämpfung der Grauschimmelfäule mit einem thiabendazolhaltigen Präparat beräuchert werden. Mit Thiabendazol wird meist die Schale von Zitrusfrüchten behandelt und ist dort in hohen Konzentrationen zu finden.

Das Bundesinstiut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin bewertet Thiabendazol als nur gering akut toxisch und es lägen keine Hinweise auf eine krebserzeugende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende Wirkung beim Menschen vor (gbvv). Wissenschaftliche Studien belegen jedoch das Gegenteil, so konnte eine mögliche karzinogene und erbgutschädigende Wirkung nachgewiesen werden (3).

Trifloxystrobin: Siehe Tebuconazol

 

Käfer

Diskussion

Diese Zusammenstellung soll nur einen kleinen Überblick geben, über die am häufigsten, auf Lebensmitteln gefunden Pestizide. Weltweit ist eine unübersichtliche Anzahl an Pestiziden zugelassen, so dass man sich eigentlich nur auf eine funktionierende Lebensmittelüberwachung verlassen kann. Trotz allem kann man auch die in Deutschland zugelassenen Pestizide und die erlaubten Rückstandsmengen diskutieren.

Die Auswirkungen auf Umwelt und Natur sind enorm und werden hier nicht weiter erörtert. So soll allein die Biomasse an Insekten in Deutschland zum Teil in den vergangenen 15 Jahren auf über 80% zurück gegangen sein (15).

In diesem Zusammenhang kann sich jeder die Frage stellen, was ihm eine biologische oder regionale Landwirtschaft Wert ist. Es wäre eine Entscheidung nicht nur für die eigene Gesundheit, sondern auch für das Überleben unserer Natur mit all ihrer Flora und Fauna, den Böden und Flüssen; und letztendlich auch eine Entscheidung für unsere Landwirte, damit diese sich wieder für einen ordentlichen Lohn um einen vernünftigen Ackerbau kümmern können.

 

apfel GapfelH

 

(1) Datenbank des United States Department of Agriculture https://www.ams.usda.gov/datasets/pdp/pdpdata

(2) Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. 

(3) In vitro aneugenic effects of the fungicide thiabendazole evaluated in human lymphocytes by the micronucleus assay. Santovito, Alfredo, Cervella, PieroView Profile, Delpero, Massimiliano. Arch Toxicol. (2011)

(4) Effects of single pesticides and binary pesticide mixtures on estrone production in H295R cells. Prutner et al., Arch Toxicol. (2013)

(5) Successful validation of genomic biomarkers for human immunotoxicity in Jurkat T cells in vitro. Schmeits et. al. J Appl Toxicol. (2015)

(6) Major Pesticides Are More Toxic to Human Cells Than Their Declared Active Principles. Robin Mesnage et. al. BioMed Research International (2014)

(7) The organophosphate insecticide chlorpyrifos confers its genotoxic effects by inducing DNA damage and cell apoptosis. Diqiu Li et. al. Chemosphere (2015)

(8) Effects of the organophosphate insecticides phosmet and chlorpyrifos on trophoblast JEG-3 cell death, proliferation and inflammatory molecule production. Guiñazú N. et. al. Toxicol In Vitro. (2012)

(9) Influence of the spray adjuvant on the toxicity effects of a glyphosate formulation. Isis Coalova et. al. Toxicology in Vitro 28 (2014)

(10) Effects of pesticides on human peripheral lymphocytes in vitro: induction of DNA damage. Ü. Ündeğer, N. Başaran. Archives of Toxicology (2005)

(11) Combination effects of (tri)azole fungicides on hormone production and xenobiotic metabolism in a human placental cell line.Rieke S. et. al. Int J Environ Res Public Health. (2014)

(12) Triazole fungicide tebuconazole disrupts human placental trophoblast cell functions. Zhou J et. al. J Hazard Mater. (2016)

(13) Azole fungicides disturb intracellular Ca2+ in an additive manner in dopaminergic PC12 cells. Heusinkveld HJ. Toxicol Sci. (2013)

(14) Competitive androgen receptor antagonism as a factor determining the predictability of cumulative antiandrogenic effects of widely used pesticides. Orton F. et. al. Environ Health Perspect. (2012)

(15) Dramatisches Insektensterben . https://www.nabu.de/news/2016/01/20033.html 

(16) Modulation of aromatase activity and mRNA by various selected pesticides in the human choriocarcinoma JEG-3 cell line. Laville N et. al. Toxicology. (2006)

(17)  Information der Imker zum Einsatz streptomycinhaltiger Pflanzenschutzmittel zur Bekämpfung des Feuerbranderregers im Erwerbsobstbau in Bayern. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
Institut für Pflanzenschutz. (2013)

(18)  Schweizer Radio und Fernsehen SRF

(19) Neun Tonnen Honig mit Antibiotikum belastet. PETRA WALHEIM. Tageblatt vom 19.08.2011 (2011)

Text und Fotos dürfen unter den Bedingungen der Creative Commons Attribution Share-Alike license (CC-BY-SA) gerne ganz oder teilweise kopiert und zitiert werden.

Januar 2016

Das Glaukom wird auch Grüner Star genannt und besteht im Grunde aus verschiedenen Augenkrankheiten die die Nervenzellen der Netzhaut (Retina) und den Sehnerven Schädigen können. In diesem Bericht will ich nur auf die aktuellen und neuesten Forschungen (2015 und 2016) in Bezug auf das Krankheitsmangement eingehen.

Falls Sie sich einen Überblick über die Krankheit, die Diagnostik und die übliche Behandlung machen wollen, sind Sie auf die hervorragenden Seiten des Initiativkreis zur Glaukom-Früherkennung e.V. verwiesen.

 

Auge

Allgemeine Ursachen eines Glaukoms

Früher hat man geglaubt, dass der Augeninnendruck maßgeblich für ein Glaukom sei. Heute weiß man, dass etwa 80% aller Menschen mit einem hohen Augeninnendruck niemals ein Glaukom entwickeln. Ebenso haben etwa 30% der Menschen mit einem Glaukom keinen erhöhten Augeninnendruck (2).

Risikofaktoren für einen Glaukomschaden sind:

  • Das Alter.
  • Vererbung von bestimmten genetischen Variationen, bzw. familiäre Häufungen.
  • Okuläre Hypertension (Vergrößerte Hornhautdicke).
  • Diabetes.
  • Migräne.
  • Das Schlaf-Apnoe-Syndrom oder Schnarchen.

 

 

Augen

Aktuelles Management eines neovaskulären Glaukoms nach (1) von 2015

Krankhafte Veränderungen bei einem neovaskukärem Glaukom

Ein Glaukom entsteht nach einer Reihe von Entwicklungen im Augengewebe. Am Anfang der Kette steht eine sogenannte Hypoxie. Eine Hypoxie ist eine Mangelversorgung mit Sauerstoff vom Augengewebe. Ob das Auge jetzt tatsächlich mit zu wenig Blut versorgt wird, oder ob das Auge es "sich nur einbildet" ist dabei zweitrangig. Fakt ist, das Gewebe im Auge reagiert auf die Hypoxie.

Das Gewebe reagiert nun mit dem Anschalten von bestimmten Genen und produziert hiermit Proteine die eine sogenannte Angiogenese bewirken. Eine Angiogenese ist die Neubildung und das Wachstum von Blutgefäßen.

So konnten vor allem drei Proteine vermehrt im Auge festgestellt werden. Diese drei Proteine sind

  • Vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor A (VEGF-A).
  • Chemokin.
  • Insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor (Protein 2).

Es wurden auch noch eine Reihe anderer Proteine gefunden, die an einer Neubildung von Blutgefäßen beteiligt sind. Aber auf die drei oben erwähnten wird zur Zeit in der Forschung am meisten Augenmerk gelegt.

Diese Proteine führen zu einer abweichenden Angiogenese und verschiedene Folgeerkrankungen einschließlich Blutungen im Glaskörper, Makulaödeme und Netzhaut Fibrose. 

Die neuen Blutgefäße können sich auch bis in die vordere Augenkammer fortbilden und damit zu Gefäßneubildung in und um die Iris  herum führen.  Diese Gefäßauswüchse werden als NVA (Neovascularization of the Angle) bezeichnet.

Der NVA führt irgendwann zu einer sogenannten Synechie. Dies bezeichnet eine Verwachsung von Gewebe. Die Synechie kann dann zur Druckänderungen beim Kammerwasser führen und damit den Augeninnendruck (IOP) erhöhen was zu einem neovaskulärem Glaukom (NVG) führt. Dabei werden verschiedene Glaukome unterschieden. So zum Beispiel das Hochdruckglaukom, beim dem sich der Druck langsam erhöht und dadurch der Sehnerv geschädigt wird, oder auch das Normaldruckglaukom, bei dem der Sehnerv durch andere Ursachen geschädigt wird. Bei einem Normaldruckglaukom kann aber der Augeninnendruck sehr schnell ansteigen.

Untersuchungsmethoden

Das Ausmaß der retinalen Ischämie kann durch eine Fluoreszenzangiographie  (IVFA) bestimmt werden.

In fortschrittlichen Augenkliniken kann auch die Korrelation zwischen Netzhautvenen Tortuosität und dem okularen, vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) untersucht werden.

Behandlung eines NVG

Laser

Der aktuelle Goldstandard für die Behandlung eines neovaskulären Glaukoms (NVG) ist eine Laser Behandlung die man Panretinal Photocoagulation (PRP) nennt. Das Ziel der PRP ist durch viele kleine Verbrennungen in der Netzhaut den Sauerstoffbedarf der Retina zu verringern und damit die oben erwähnte Angiogenese zu behindern. Diese Laserbehandlung erfolgt in mehreren Sitzungen. Allerdings kommt diese Behandlung für einige Patientengruppen nicht in Frage.

Antikörper

Eine andere Möglichkeit ist die intraokulare Verabreichung von Anti-VEGF-Antikörpern, um die Wirkung der neu gebildeten Proteine zu blockieren. Neuere Studien konnten zeigen, dass die Verabreichung dieser Antikörper zu einer schnellen Rückbildung der neuen Blutgefäßen in der vorderen Augenkammer und damit auch zu einem kurzfristigen Rückgang des Augeninnendrucks führen kann.

Die am häufigsten verwendeten Anti-VEGF-Mittel, Bevacizumab und Ranibizumab haben eine eingeschränkte  Affinität zu VEGF-Isoformen und bieten daher keine langfristige Lösung. Auch neuere Studien konnten zeigen, dass diese Antikörper Gefäßneubildungen nur verzögern, aber nicht verhindern. Aus diesen Gründen werden zur Zeit neue Antikörper entwickelt. Einen will ich hier kurz vorstellen:

 Aflibercept

Aflibercept ist eine neues rekombinantes Fusionsprotein mit höherer Bindungsaffinität zu VEGF-Isoformen
sowie Plazenta-Wachstumsfaktoren. Bei einer klinischen Studie 2015 konnten in der Zeit von 52 Wochen sehr beeindruckende Ergebnisse erzielt werden. Momentan läuft mit dem Wirkstoff eine weitere, größere klinische Studie (4).

Operation

Sobald ein erheblicher Verschluss aufgetreten ist, ist eine Glaukoma Operation unumgänglich. Die herkömmlichen Methoden wie die Laser Trabekulotomie erzielt oft nicht die gewünschte Wirkung. Allerdings sollen die Erfolgsraten deutlich höher sein, wenn vorher eine antivaskuläre Behandlung (siehe oben) durchgeführt wurde (1).

 

Augen

Vaskuläre Fehlregulationen  in primären Offenwinkelglaukomen nach (5) 2015

In primären Offenwinkelglaukom (POAG) gibt es keine offensichtlichen Anomalien. Bis heute gibt es auch keine Anhaltspunkte weshalb der Augeninnendruck (IOP) erhöht ist. Bei erhöhtem IOP spricht man auch von einem Hochdruckglaukom - high tension glaucoma (HTG). Im Gegensatz zu Hochdruckglaukomen weiß man bei sogenannten Normaldruckglaukomen (NTG) nicht, warum der Sehnerv geschädigt wird.

Der Begriff primäres Offenwinkelglaukom (POAG) fasst also mehrere verschiedene Krankheiten zusammen, auch sogenannte Pseudoexfoliations- und Pigmentglaukome. Auf letztere will ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen.

Eine gängige Hypothese ist, dass das POAG durch verschiedene chemische, endotheliale Signale verursacht wird. Bei einer Studie mit Patienten mit einem Normaldruckglaukomen (NTG) konnte gezeigt werden,  dass die Blutgefäße im Unterarm eine gestörte Reaktion der Gefäße aufweisen (6). Inzwischen konnte bei mehreren Untersuchungen gezeigt werden, dass sowohl HTG Patienten, als auch NTG Patienten Anomalien in den Gefäßen haben, die von den Zentralarterien weg führen. So gibt es beim Offenwinkelglaukom (OAG) Hinweise auf vaskuläre Fehlregulationen in den Aderhaut, dem Sehnervenkopf, den Zentralarterien und den Makula Kapillaren. Eigentlich erstrecken sich die Probleme auf das gesamte zerebrale Gefäßsystem.

Papille

Genetische Faktoren

Es wurden bisher mehrere genetische Variationen gefunden, die mit einem POAG in Verbindung gebracht werden.

  • Das NOS3 Gen und der Stickstoffmonoxid Synthase 3 Kreislauf.
  • Die Gene GUCY1A3 und GUCY1B3 die an der  Guanylatcyclase beteiligt sind.
  • Das Gen LMX1B (Homeobox-Transkriptionsfaktor-1 beta).
  • Das SLC1A1 Gen und ein rs10739062 Polymorphismus.

 

Der Stickstoffmonoxid Synthase 3 Kreislauf

Blutungen in der Papille treten bei allen chronischen Offenwinkelglaukomen auf. Allerdings sind sie bei NTG besser sichtbar, als beim HTG, da der hohe Druck bei HTGs die Mikroblutungen besser absorbiert.

Falls diese Einblutungen auf einen gestörten Stickstoffmonoxid Synthase 3 Kreislauf hindeutet (NOS3), müssten Tropfen, die diesen Kreislauf verbessern, die Blutungen stoppen können und auch den Sehnerv entlasten. Eine interessante Studie konnte dies für Brimonidin/Timolol bei Patienten mit einem Normaldruckglaukoma (NTG) bestätigen (7). Allerdings bringt die Behandlung mit Brimonidin, abgesehen von den Nebenwirkungen, auch einige Nachteile. In einer Studie über drei Jahre konnte kein Unterschied zwischen dem Fortschreiten des Glaukoms in der behandelten und unbehandelten Gruppe festgestellt werden. Auch wurden die Patienten bei der ersten Studie zusätzlich einer Laseroperation unterzogen.

 

Schlußfolgerungen von Pasquale (5)

Auch wenn man nicht behaupten kann, dass der Stickstoffmonoxid Synthase 3 Kreislauf  alleine ausreicht, ein POAG zu erklären oder zu verstehen, so spielt der Kreislauf doch eine zentrale Rolle; sowohl bei Hochduck- als auch bei einem Normaldruck- Glaukom. Pasquale hebt vor allem die Rolle der Genetik bei der Entstehung eines Glaukoms hervor. Es scheint, dass eine Arteriosklerose mit Endothelzellproliferation keinen Anteil an der endothelialen Fehlfunktion bei einem POAG hat.

Darüber hinaus haben POAG Patienten kein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten. Um die Krankheit zu verstehen, sind weitere Untersuchungen auf den Gebieten der genetischen Epidemiologie, Immunologie und Herz-Kreislauf Geschehen nötig.

Augen

 

Glaukom Medikamente und ihre Kombination nach Babić (8)

Tabelle 1 Kombinationsmedikamente nach Babić (8)
Wirkstoff 1 Wirkstoff 2 Handelsname
Bimatoprost 0.03% Timolol 0.5% Ganfort®
Latanoprost 0.005% Timolol 0.5% Xalacom® Xalcom®
Travoprost 0.004% Timolol 0.5% DuoTrav®
Dorzolamide 2% Timolol 0.5% Cosopt®
Brinzolamide 1% Timolol 0.5% Azarga®
Brimonidine 0.2% Timolol 0.5% Combigan®
Brinzolamide 1% Brimonidine 0.2% Simbrinza®

 

Latanoprost/Timolol

Die erste feste Kombination eines Prostaglandin-Analogon und β-Blockers die auf dem Markt war. Diese Kombination ist wirksamer als die Einzelwirkstoffe, um den Augeninnendruck bei Patienten mit POAG zu verringern. Laut Babić soll diese Kombination vor allem für Patienten gut sein, die einige Tropfen wegen dem Konservierungsmittel Benzalkoniumchlorid (BAK) nicht gut vertragen, da diese Kombination nur einmal täglich verabreicht werden soll.

Travoprost/Timolol

Diese Kombinationstherapie wird verwendet, wenn die Behandlung mit Travoprost und Timolol als Monotherapie den Augeninnendruck nicht ausreichend senken kann. Travoprost/Timolol ist die einzige Kombination ohne das Konservierungsmittel BAK ("BAK-free"). Es enthält als Konservierungsmittel "Polyquad", das weniger toxisch auf die Augenoberfläche wirken soll. Deshalb treten weniger Nebenwirkungen auf und da diese Kombination auch nur einmal morgens verabreicht wird, ist diese Kombination besser verträglich.

Bimatoprost/Timolol

Dies ist ein neueres Kombinationsmittel, das eingesetzt wird, wenn die anderen Mittel den Augeninnendruck nicht ausreichend senken können. Diese Kombination soll den Augeninnendruck von allen Kombinationspräparaten am besten senken können. Es wird auch nur einmal täglich, morgens verwendet.

Dorzolamide/Timolol

Dorzolamid ist ein Carboanhydrasehemmer, der die Kammerwasserproduktion reduziert und wird häufig
als Zusatztherapie zu Timolol verschrieben. Diese Kombination wird bei NTG-Patienten empfohlen, die Latanoprost nicht vertragen (11). Diese Kombination muss zweimal täglich verabreicht werden, um den Augeninnendruck zu senken.

Brinzolamide/Timolol

Dies ist ein neueres Kombinationsmittel, um den Augeninnendruck zu senken. Der Vorteil von Brinzolamid/Timolol ist in einer höheren Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil. Patienten bevorzugen diese
Kombination über die Dorzolamid/Timolol. Dies ist wahrscheinlich auf Unterschiede im Puffersystem und des pH-Wertes zurückzuführen. Auch diese Kombination muss zweimal täglich verabreicht werden.

Brimonidine/Timolol

Auch dieses Kombinationsmittel soll den Augeninnendruck senken, wenn andere Mittel einzeln oder in Kombination nicht so gut wirken, bzw. schlecht vertragen werden. Vor allem Patienten, die mit Dorzolamide/Timolol nicht den gewünschten Druck erreichen, können diese Kombination ausprobieren. Auch diese Kombination muss zweimal täglich verabreicht werden.

Brinzolamide/Brimonidine

Ein neueres Produkt auf dem Markt und und die einzige Kombination, die ohne einen β-Blocker auskommt. Die Wirkung beruht auf andere Mechanismen. Brinzolamid verringert die Kammerwasserproduktion und Brimonidin verringert ebenso die Kammerwasserproduktion und erhöhte gleichzeitig den uveoskleralen Abfluss.  Diese Kombination muss dreimal täglich verabreicht werden.

 

Schlussfolgerung nach Babić (8)

Für Patienten mit primären Offenwinkelglaukomen und hohem Augeninnendruck bieten Kombinationstherapien Vorteile in Bezug auf Nebenwirkungen. Trotzdem wird die Kombinationstherapie nicht als Erstbehandlung empfohlen. Wenn jedoch ein sehr fortgeschrittenes Glaukom mit sehr hohem Augeninnendruck besteht, oder die gewünschte Drucksenkung mit einem Einzelpräparat nicht erreicht werden kann, sollte man eine  Kombinationstherapie versuchen. Wenn die Kombinationstherapie den Augeninnendruck nicht mehr ausreichend reduzieren kann, kann man verschiedene Wirkstoffe zur Kombination hinzufügen.

Eine Kombinationstherapie mit zusätzlich einem dritten Medikament ist die maximale medikamentöse Therapie.  Nach diesem Stadium muss eine Operation in Betracht gezogen werden.

Augen

Literatur zum Normaldruckglaukom

Das Normaldruckglaukom (NTG) ist eine Krankheit, bei der der Augeninnendruck (IOP) im normalen Bereich bleibt, deshalb bildet es eine Ausnahme bei den Krankheiten der primären Offenwinkelglaukome (POAG). Es wird heute angenommen, dass diese Krankheit in Verbindung mit oxidativem Stress und einer Dyslipidämie steht. Eine Dyslipidämie ist eine Fettstoffwechselstörung. Bei einer Studie mit 32 NTG Patienten und 40 gesunden Probanden von 2016 wurde festgestellt, dass eine Hyperlipoproteinämie (HLP), also eine erhöhte Konzentration des Cholesterins, der Triglyceride und der Lipoproteine besteht (10).

Auge

In vielen Studien wurden Augeninnendruck unabhängige Faktoren bei Patienten mit NTG untersucht. Trotzdem bleibt vorerst die einzige bewährte Behandlung, die effektiv das Fortschreiten eines Glaukoms verhindern kann,  eine Verringerung des IOP (11). Latanoprost ist hierbei seit 1996 das Medikament erster Wahl. Bei einer Studie von 2016 wurde die Wirkung von Latanoprost im Vergleich zu Dorzolamide/Timolol (siehe oben) untersucht. Hierbei wurde kein großer Unterschied zwischen beiden Medikamenten gefunden (11). Die Therapie mit Dorzolamide/Timolol bietet sich also für Patienten an, die Latanoprost nicht vertragen.  Allerdings wird auch bei Timolol von eine Reihe unerwünschter Nebenwirkungen berichtet.

Des weiteren kann eine Verringerung des Augeninnendrucks das glaukomatöse Fortschreiten der Krankheit bei vielen Patienten mit NTG nicht nicht stoppen (11).  Bei NTG Patienten wird die Rolle des okularen Blutflusses als potentieller Risikofaktor für die Entstehung diskutiert. Deshalb haben viele Patienten trotz einer signifikanten Reduktion des IOP fortschreitende anatomische und funktionellen Schäden am Sehnerv. Aus diesen Gründen schlägt Lee et al. vor, dass der diastolische  Perfusionsdruck im Auge wichtiger sei, als der Augeninnendruck, um den Nervenschaden zu bestimmen (11).

Auge

Obwohl ein erhöhter Augeninnendruck definitiv ein wichtiger Risikofaktor für Schäden am Sehnerv ist, gibt es Hinweise darauf, dass eingeschränkte Gewebedurchblutung gerade bei NTG Patienten eine große Rolle spielt. Deshalb haben Medikamente, die zusätzlich eine Auswirkungen auf den Blutfluss haben, eine große klinische  Bedeutung. Studien konnten diese Wirkungen der nicht selektiven β-Rezeptorenblocker, einschließlich Timolol, Carteolol und Betaxolol, auf die  Blutzirkulation zeigen (12). Neuere Studien zeigen auch, dass Medikamente wie Latanoprost, signifikant die Blutgeschwindigkeit und den Blutfluss erhöhen können (12).

 

Auge

Im Januar 2016 kam in der Fachzeitschrift  "Ophthalmic Genetics" eine Japanische Studie heraus, die das Gen SLC1A1 bei 792 Probanden untersuchte (9). Ein Vergleich von 293 Patienten mit Normaldruckglaukoma mit 500 gesunden Probanden zeigte einen rs10739062 Polymorphismus mit einen dominierenden Einfluss. Personen mit Genotyp GG und GC zeigte ein 1,91-fach erhöhtes Risiko, verglichen mit Genotyp CC (9).

Auge

 

 

(1) Current management of glaucoma and vascular occlusive disease. Ahmad A. Aref. Curr Opin Ophthalmol. (2015)

(2) Initiativkreis zur Glaukom-Früherkennung e.V.

(3) Neovascular glaucoma. Etiologic considerations.Brown GC, Magargal LE, Schachat A, Shah H. Ophthalmology (1984)

(4) SooHoo JR, Seibold LK, Pantcheva MB, Kahook MY. Aflibercept for the treatment of neovascular glaucoma. Clin Experiment Ophthalmol 2015. In this preliminary prospective case series of four individuals with newly diagnosed neovascular glaucoma, intravitreal aflibercept injections were found to stabilize intraocular pressure and lead to regression of ocular neovascularization at 52 weeks of follow-up. This study suggests that intravitreal aflibercept may allow for longer term treatment compared with bevacizumab and ranibizumab. A larger, comparative trial is currently underway (ClinicalTrials.gov #NCT01711879).

(5) Vascular and autonomic dysregulation in primary open-angle glaucoma. Louis R. Pasquale. Curr Opin Ophthalmol. (2015)

(6) Peripheral endothelial dysfunction in normal pressure glaucoma. Henry E, Newby DE,Webb DJ, O’Brien C Invest Ophthalmol Vis Sci (1999)

(7) The Low-Pressure Glaucoma Study Group. Krupin T, Liebmann JM., Greenfield DS. A randomized trial of brimonidine versus timolol in preserving visual function: results from the Low-Pressure Glaucoma Treatment Study. Am J Ophthalmol (2011)

(8) Fixed Combinations of Glaucoma Medications. Nikola Babić. Srp Arh Celok Lek. (2015)

(9) SLC1A1 Gene Variants and Normal Tension Glaucoma: An Association Study. Mami Nishisako et al. Ophthalmic Genet. (2016)

(10) Higher serum lipids and oxidative stress in patients with normal tension glaucoma, but not pseudoexfoliative glaucoma. Necat Yilmaz et al. BOSNIAN JOURNAL OF BASIC MEDICAL SCIENCES (2016)

(11) Comparison of the Effects of Dorzolamide/Timolol Fixed Combination versus Latanoprost on Intraocular Pressure and Ocular Perfusion Pressure in Patients with Normal-Tension Glaucoma: A Randomized, Crossover Clinical Trial. Na Young Lee, Hae-Young Lopilly Park, Chan Kee Park. PLoS One (2016)

(12) Ocular Blood Flow and Normal Tension Glaucoma. Ning Fan,Pei Wang, Li Tang, Xuyang Liu. BioMed Research International (2015)

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Februar 2016, aktualisiert November 2016

Entgegen der Meinung, dass das Gehirn für den Darm verantwortlich ist, ist es tatsächlich so, dass der Darm weitaus mehr Informationen an das Gehirn sendet. Der alte Glaube, dass die Gesundheit im Magen beginnt scheint sich bei neuesten Forschungen immer mehr zu bewahrheiten.

Darmflora ist die Bezeichnung aller Mikroorganismen im Verdauungstrakt. Im menschlichen Darm sollen etwa 38 Billionen Bakterien leben (6). Dazu kommt noch das Phageom mit wohl 380 Billionen Phagen, das nach neuesten Erkenntnissen auch eine sehr große Rolle spielt (7). Die Oberfläche vom Darm hat etwa 32 m² (8).

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Bakterien auf Agar

Das Mikrobiom und der Vagusnerv

Neueste Forschung hat einen Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung unserer Darmflora und dem Funktionieren des Immunsystens, des Nervensystems und dem endokrinen (hormonelles) Gleichgewicht bestätigt. In einigen Untersuchungen wird diskutiert, ob Bakterien den Vagusnerv, der aus dem Verdauungstrakt in das Gehirns läuft, beeinflussen.

Es wird heute in der wissenschaftlichen Forschung untersucht inwieweit die Darmflora selber das Essverhalten des Menschen manipulieren kann (1). Wie bei jeder komplexen Interaktion, wie der vom menschlichen Nährstoffbedarf und dem Nährstoffbedarf der unterschiedlichen Darmflora, gibt es eine Mischung von gemeinsamen und auch entgegengesetzten Interessen, mit Möglichkeiten zum gegenseitigen Nutzen und auch Manipulation (1).

Dies bedeutet, dass ein breites Spektrum an verschiedenen Darmmikroben viel Energie und Ressourcen an die Bekämpfung der Konkurrenz verbraucht. Dagegen haben große Populationen einiger weniger Mikroben mehr Ressourcen den Wirt, also den Menschen, zu manipulieren. Zusätzlich ist eine große Population an gleichen Mikroben leichter in der Lage zu manipulieren, da sie sich besser Koordinieren können (sogenanntes Quorum Sensing). Aus diesen Gründen wird heute eine geringe Vielfalt in der Darmflora und dem Mikrobiom mit einer ungesunden Ernährung, verschiedenen Krankheiten und auch mit Übergewicht in Zusammenhang gebracht (1).

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Der Vagusnerv und seine Verbindungen zu den einzelnen Organen.

 

Warum Sie Ihre Darmflora optimieren sollten

In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass Menschen die viel fermentierte Lebensmittel zu sich nehmen, Nährstoffe besser aufschließen können (2, 9). Die Nebenprodukte der Gärung helfen unserem Körper Fett abzubauen und den Blutdruck zu regulieren (3). Auch beeinflussen sie die Zusammensetzung des Blutes, dienen als Neurotransmitter und regulieren die Funktion des Nervensystems (4). Bei der Fermentation produzieren einige Bakterien natürliche Antibiotika und Verbessern die Vitaminversorgung. Die Probiotika stärken das Immunsystem und unterstützen dabei die allgemeine Gesundheit des Verdauungssystems und des ganzen Körpers (1).

Ebenso führt eine pflanzenbasierte Ernährung zu einer verringerten Neurodegeneration und verringerten Entzündungsreaktionen im Körper. Die Phagozytose, also die Müllabfuhr im Körper, wird aktiviert. Ist die Phagozytose gestört, kommt es zu einer Anreicherung von fehlerhaften Proteinen. Durch die Ernährung und auch durch Fasten kann man die Phagozytose beeinflussen.

Mein Vortrag dazu bei nikoLAB:

 

5 Gründe warum man fermentierte Lebensmittel essen sollte:

  1. Eine gute, ausgeglichene Darmflora kann Krankheiten wie Allergien, Asthma, Pilzinfektion, Verstopfung und einen Reizdarm lindern oder sogar heilen.
  2. Lebensmittel, die reich an wertvollen Enzymen sind, erhöhen die Anzahl der Antikörper und stärken damit das Immunsystem. Als Folge können Infektion besser bekämpft werden.
  3. Die Verdauungsenzyme tragen zur Verarbeitung von Lebensmitteln im Körper bei und sorgen für die richtige Aufnahme von Nährstoffen aus der Nahrung.
  4. Lebensmittel mit vielen verschiedenen Vitaminen tragen zur Bildung von zusätzlichen Nährstoffen wie Omega-3-Fettsäuren und mehrfach ungesättigten Fettsäuren bei.
  5. Durch die hohe Konzentration an Antioxidantien können sie freie Radikale unschädlich machen.

Die zentrale Rolle des Mikrobioms bei Krankheiten wird seit einem halben Jahrhundert von experimentellen und klinischen Studie unterstützt (5).

 

So optimieren Sie ihre Darmflora

Vermeiden Sie verarbeitete und raffinierte Lebensmittel in Ihrer Ernährung.

Essen Sie möglichst Lebensmittel aus biologischem Anbau, damit vermeiden Sie Antibiotika und Pestizide.

Essen Sie möglichst viel fermentierte, nicht pasteurisierte Lebensmittel:

Apfelessig

Kimchi
Sauerkraut

Sauerteig
Lievito Madre

Sojasoße (traditionell)
Miso

Natto

Tempeh

Jun Tee
Kombucha
Tibicos
Kefir
Kwass

Man kann fast jedes Gemüse vergären. Der Prozess ist relativ einfach gut in  Griff zu bekommen. Stellen Sie Ihre eigenen hausgemachten fermentierten Produkte einfach selber her.

Wer gerne zusätzliche Infos will, hat oder gerne darüber diskutiert, der ist in meinem Forum willkommen: http://www.dr-nepomuk.de/forum/

 

(1) Is eating behavior manipulated by the gastrointestinal microbiota? Evolutionary pressures and potential mechanisms. Joe Alcock, Carlo C. Maley, C. Athena Aktipis. Bioessays (2014)

(2) Increased iron bioavailability from lactic-fermented vegetables is likely an effect of promoting the formation of ferric iron (Fe3+). Nathalie Scheers, Lena Rossander-Hulthen, Inga Torsdottir, Ann-Sofie Sandberg. European Journal of Nutrition. (2015)

(3) Blood Pressure-Lowering Peptides from Neo-Fermented Buckwheat Sprouts: A New Approach to Estimating ACE-Inhibitory Activity. Masahiro Koyama, Seiji Hattori, Yoshihiko Amano, Masanori Watanabe, Kozo Nakamura. PLOS ONE (2015)

(4) The gut microbiome and diet in psychiatry: focus on depression. Dash Saraha, Clarke Gerard, Berk Michaela, Jacka Felice. Current Opinion in Psychiatry (2015)

(5) The microbiome and critical illness. Robert P Dickson. The Lancet Respiratory Medicine (2015)

(6) Revised estimates for the number of human and bacteria cells in the body. Ron Sender, Shai Fuchs, Ron Milo. Biorxiv (2016).

(7) Healthy human gut phageome. Pilar Manrique, Benjamin Bolduc, Seth T. Walk, John van der Oost, Willem M. de Vos, Mark J. Young. PNAS (2016).

(8) Surface area of the digestive tract -revisited. Helander & Fändriks. Scandinavian Journal of Gastroenterology (2014).

(9) Role of gut microbiota and nutrients in amyloid formation and pathogenesis of Alzheimer disease. Francesca Pistollato, Sandra Sumalla Cano, I~naki Elio, Manuel Masias Vergara, Francesca Giampieri, Maurizio Battino. Nutr Rev. (2016)

 

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September 2015

Lactoferrin ist ein eisenbindendes Protein, das zuerst in der Milch gefunden wurde, deshalb sein Name. Inzwischen wurde es auch in exokrinen Sekreten und in Immunzellen (Neutrophilen Granulozyten) nachgewiesen. Viele Veröffentlichungen berichten über eine antimikrobielle und eine entzündungshemmende Aktivität von Lactoferrin und hiermit über seine Bedeutung bei der Abwehr von Infektionen und Entzündungen. Des weiteren gibt es viele Berichte über die antikarzinogene Wirkung von Lactoferrin (1,12).

Lactoferrin wird von allen Säugetieren in größeren Mengen produziert und ist je nach Tierart etwas unterschiedlich aufgebaut. Am besten untersucht ist das menschliche Lactoferrin, das etwa 70% Übereinstimmung mit Lactoferrin von anderen Spezies hat (2). Ebenfalls untersucht wurde das Lactoferrin von Kühen, Büffeln, Ziegen und von Kamelen.

Während einer Infektion oder bei einer Entzündung wird mehr Lactoferrin vom Körper produziert. Die Synthese von Lactoferrin wird direkt oder indirekt von Östrogenen, Retinsäuren, Mitogenen oder von Wachstumsfaktoren reguliert (12). Deshalb ist es auch ein guter Marker für Infektionen oder auch für Krebs.

Dies alles bedeutet aber nicht, dass der geringe Anteil von Lactoferrin in Kuhmilch für den Menschen einen positiven physiologischen Effekt hätte. Vielmehr überwiegen die negativen Auswirkungen der vielen Hormone in Kuhmilch (siehe Fakten im Milchstreit). Ein gesunder Mensch kann eine ausreichende Menge an menschlichem Lactoferrin selber produzieren, deshalb ist es auch ein Bestandteil des Immunsystems.

Lactoferrin von Menschen

Die Konzentration von Lactoferrin in Menschenmilch liegt bei etwa 2 mg/ml (1).

Es ist schon lange bekannt, dass menschliches Lactoferrin gegen eine Reihe von Mikroorganismen wie Streptococcus, Salmonella, Shigella, Staphylococcus, Giardia, oder Enterobacter wirkt (3,8). Auch soll es vor der Ausbreitung bestimmter Krebszellen schützen können (1). Die Konzentration von Lactoferrin im Stuhl wird als Marker für beginnenden Darmkrebs, eine Darmschleimhautentzündung oder Morbus Crohn bestimmt (4).

Anteile
Gehalt von Lactoferrin in Kuhmilch und Menschenmilch (1).

 

Lactoferrin von Kühen

Lactoferrin von Kühen ist schon lange bekannt und wurde bereits 1978 in Japan vermarktet. Die Konzentration von Lactoferrin in Kuhmilch liegt zwischen 0,02 bis 0,2 mg/ml (9). Sie ist also bis um das 100- fache geringer als in Menschenmilch. Nur in Molke kann man von einer physiologisch wirksamen Menge ausgehen.

Seither wurden unzählige Tierversuche mit Bakterien, Viren und Krebserkrankungen gemacht. Leider ist es einfach zu publizieren, wenn man Tiere krank macht und dann mit Lactoferrin von Kühen behandelt. Das ist billig, erfordert keine geistigen Höchstleistungen und macht trotzdem viel Ruhm und Ehre. Aus diesen Gründen will ich darauf nicht weiter eingehen.

Kühe

Lactoferrin von Kamelen

Die Konzentration von Lactoferrin in Kamelmilch liegt etwa bei 0,5 mg/ml (10). Kamelmilch ist in der traditionellen Medizin im Nahen Osten sehr beliebt. So soll das Lactoferrin die Virus/Wirt Interaktion behindern und somit die Replikation bestimmter Viren erschweren. Dies konnte mit Lactoferrin aus Kamelmilch eindrucksvoll bei Hepatitis C (HCV) bewiesen werden (5). Ebenso kann Lactoferrin die Replikation des Hepatitis B-Virus, Herpes Simplex Virus (HSV), Human Immunodeficiency Virus (HIV), Adenoviren  und dem humanen Cytomegalovirus, verhindern (5).

Kamel
Trampeltier im Zoo Zürich

Darüber hinaus kann Lactoferrin das Wachstum von Krebszellen im Dickdarm behindern und soll sich positiv auf Diabetes Typ 1 auswirken (6).

 

Wirkung von Lactoferrin

Wirkung gegen Bakterien

Die antibakterielle Wirkung von Lactoferrin wird unter anderem auf seine Fähigkeit Eisen zu binden, zurückgeführt. So kann Lactoferrin bei Kontakt mit Bakterien diesen das Eisen entziehen und sie damit abtöten (7). Allerdings hat sich die letzten Jahre herausgestellt, dass der Mechanismus doch sehr komplex ist. Peptide von Lactoferrin binden zum Beispiel Lipopolysaccharide (LPS) an der Zelloberfläche von Bakterien und stören verschiedene Abläufe (8).  Es gibt Veröffentlichungen über die Wirksamkeit von Lactoferrin gegen  Bacillus subtilis,  Bifidobacterium breve, Bifidobacterium longum, Enterococcus faecalis, Escherichia coli, Porphyromonas gingivalis, Salmonella typhimurium, Shigella flexneri, Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus aureus,  Streptococcus mitis, Streptococcus gordoni, Streptococcus salivarius und Streptococcus mutans (1, 7, 8).

S. aureus und S. emidermidis.
Staphylococcus aureus und Staphylococcus emidermidis.

 

Wirkung gegen Protozoen

Lactoferrin kann gegen einige Protozoen wirken. Der Mechanismus hierfür soll aber ein anderer sein, als gegen Bakterien und gegen Pilze. So verhindert Lactoferrin nicht das Eindringen des Parasiten, sondern es verhindert die Vermehrung im Wirt (1). Speziell soll hier auf eine Studie hingewiesen werden, nach der Lactoferrin Giardia lamblia und Entamoeba histolytica  abtöten kann (8). Wie genau Lactoferrin wirkt, ist leider nicht bekannt.

Giardia
Giardia lamblia

 

Wirkung gegen Pilze

Auch hier wird vermutet, dass die anti-fungale Wirkung von Lactoferrin auf die Zerstörung der Zellmembran und der Bindung von Eisen zurückzuführen ist (1).

Wirkung gegen Viren

Wie genau Lactoferrin gegen Viren wirkt ist unbekannt. Da die virale Replikation aber generell an einer Zellmembran stattfindet, liegt die Vermutung nahe, dass Lactoferrin die Replikation in der Wirtszelle verhindert. Manche Viren werden vermutlich sogar direkt durch das Lactoferrrin am Eintritt in die Wirtszelle gehindert.  Es gibt Veröffentlichungen über die Wirksamkeit von Lactoferrin gegen das Herpes Simplex Virus (HSV), das Cytomegalovirus (CMV), das Feline Calicivirus (FCV), das Poliovirus (PV), das Hepatitis B und C Virus (HBV und HCV) und gegen das Human Immunodeficiency Virus (HIV) (1, 9).

Norovirus
Schematische Darstellung eines Norovirus

 

Lactoferrin und Immunabwehr

Neben den verschiedenen Körperflüssigkeiten wird die eisenfreie Form von Lactoferrin in den zytoplasmatischen sekundären Granula der Neutrophilen gespeichert. Bei einer Entzündung wird Lactoferrin freigegeben und die Konzentration an der Stelle der Entzündung steigt (1).
Lactoferrin wird auch von der Niere synthetisiert, unterstützt die Immunabwehr und die körpereigenen Immunzellen auf vielfältige Weise. Die Immunantwort, ausgelöst von Lactoferrin, soll unter anderem auch bei bestimmten Krebskrankheiten helfen. Zur Diagnostik von bestimmten Krankheiten gehört die Bestimmung des Lactoferringehaltes im Urin.

Lactoferrin bei Krebs

Die letzten 25 Jahre gab es über 1300 wissenschaftliche Veröffentlichungen und auch klinische Studien zu Lactoferrin. Ein großer Teil dieser Veröffentlichungen handelt von Lactoferrin bei verschiedenen Arten von Krebs. Es ist heute bekannt, dass sich etwa eine von sechs Krebserkrankungen aus einer Infektion entwickelt hat. Auch spielt die Unterdrückung von Infektionen eine große Rolle im Kampf gegen Krebs nach einer Chemotherapie oder einer Knochenmarktransplantation (12).

Es konnte nachgewiesen werden, dass von manchen Brustkrebszellen kein Lactoferrin mehr produziert werden kann und es wurde ein signifikanter Rückgang im Wachstum von Krebszellen bei Behandlung mit Lactoferrin festgestellt (12). Es gibt Studien zu toxischen Effekten von Lactoferrin auf verschiedene Zelllinien von folgenden Krebsarten: Leukämie, Brustkrebs bei Mensch und Hund, Plattenepithelkarzinome, Kopf-Hals-Krebszelllinien, Magenkrebs und Zungenkrebs (12).

Heute ist es anerkannt und bewiesen, dass Lactoferrin eine antikarzinogene Wirkung besitzt. Außerdem wurde die Verwendung in Kombination mit anderen Wirkstoffen als sehr wirkungsvoll beschrieben. Aus diesen Gründen wird heute viel geforscht, ein geeignetes Transportmittel für Lactoferrin zu finden, damit es möglichst schnell und unbeschadet zum Tumor gebracht werden kann.

Lactoferrin und Pflanzen

Tomate

Wird Lactoferrin in Pflanzen exprimiert, können Pflanzen gegen bestimmte Erreger resistent gemacht werden. So gibt es eine Reihe von Veröffentlichungen bei pilzlichen-, viralen- und bakteriellen Erregern (13). Auch ist schon lange bekannt, dass eine Molkedüngung Tomaten gegen einige Krankheiten toleranter macht.

Des weiteren wird heute Lactoferrin immer noch aus Kuhmilch von der Milchindustrie gewonnen. Lactoferrin von Kühen entspricht aber nur zu etwa 70% dem menschlichen Lactoferrin. Deshalb gibt es heute einige Ansätze menschliches Lactoferrin aus transgenen Pflanzen- oder auch aus Hefezellen zu gewinnen. Dieser Ansatz scheint vor allem für die Gewinnung von Lactoferrin für die Humanmedizin sinnvoll.

 

(1) Multifunctional Iron Bound Lactoferrin and Nanomedicinal Approaches to Enhance Its Bioactive Functions: Jagat R. Kanwar, Kislay Roy, Yogesh Patel, Shu-Feng Zhou, Manju Rawat Singh,Deependra Singh, Muhammad Nasir, Rakesh Sehgal, Alka Sehgal, Ram Sarup Singh,
Sanjay Garg, Rupinder K. Kanwar. Molecules. (2015)

(2) Effect of lactoferrin protein on red blood cells and macrophages: mechanism of parasite-host interaction: Anand N, Kanwar RK, Dubey ML, Vahishta RK, Sehgal R, Verma AK, Kanwar JR. Drug Des Devel Ther. (2015)

(3) Bactericidal activity of human lactoferrin: Sensitivity of a variety of microorganisms: Arnold RR, Brewer M, Gauthier JJ. Infect Immun. (1980)

(4) Immunochemical detection of human lactoferrin in feces as a new marker for inflammatory gastrointestinal disorders and colon cancer. Uchida K, Matsuse R, Tomita S, Sugi K, Saitoh O, Ohshiba S.Clin Biochem. (1994)

(5) Screening the anti infectivity potentials of native N- and C-lobes derived from the camel lactoferrin against hepatitis C virus: Redwan EM, El-Fakharany EM, Uversky VN, Linjawi MH. BMC Complement Altern Med. (2014)

(6) Camel milk lactoferrin reduces the proliferation of colorectal cancer cells and exerts antioxidant and DNA damage inhibitory activities: Hosam M. Habib, Wissam H. Ibrahim, Regine Schneider-Stock, Hassan M. Hassan. Food Chem. (2013)

(7) Damage of the outer membrane of enteric gram-negative bacteria by lactoferrin and transferrin: Ellison, R.T.; Giehl, T.J.; la Force, F.M. Infect. Immun. (1988)

(8) Effect of lactoferrin on enteric pathogens: Theresa J. Ochoaa and Thomas G. Cleary. Biochimie. (2009)

(9) The effect of bovine lactoferrin and lactoferricin B on the ability of feline calicivirus (a norovirus surrogate) and poliovirus to infect cell cultures: McCann KB1, Lee A, Wan J, Roginski H, Coventry MJ. J Appl Microbiol. (2003)

(10) Nano-encapsulation of isolated lactoferrin from camel milk by calcium alginate and evaluation of its release: Raei M, Rajabzadeh G, Zibaei S, Jafari SM, Sani AM.Int J Biol Macromol. (2015)

(11) Expression of recombinant Arabian camel lactoferricin-related peptide in Pichia pastoris and its antimicrobial identification: Mahmood Chahardooli,Ali Niazi, Farzaneh Aram, Seyye Mohsen Sohrabi. J Sci Food Agric. (2015)

(12) Anticancer effects of lactoferrin: underlying mechanisms and future trends in cancer therapy: Cristovao F Lima, and Ligia R Rodrigues. Nutrition Reviews (2014)

(13) Lactoferrin-Derived Resistance against Plant Pathogens in Transgenic Plants: Dilip K. Lakshman, Savithiry Natarajan, Sudhamoy Mandal, Amitava Mitra. Journal of Agricultural and Food Chemistry (2013)

 

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