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September 2015

Lactoferrin ist ein eisenbindendes Protein, das zuerst in der Milch gefunden wurde, deshalb sein Name. Inzwischen wurde es auch in exokrinen Sekreten und in Immunzellen (Neutrophilen Granulozyten) nachgewiesen. Viele Veröffentlichungen berichten über eine antimikrobielle und eine entzündungshemmende Aktivität von Lactoferrin und hiermit über seine Bedeutung bei der Abwehr von Infektionen und Entzündungen. Des weiteren gibt es viele Berichte über die antikarzinogene Wirkung von Lactoferrin (1,12).

Lactoferrin wird von allen Säugetieren in größeren Mengen produziert und ist je nach Tierart etwas unterschiedlich aufgebaut. Am besten untersucht ist das menschliche Lactoferrin, das etwa 70% Übereinstimmung mit Lactoferrin von anderen Spezies hat (2). Ebenfalls untersucht wurde das Lactoferrin von Kühen, Büffeln, Ziegen und von Kamelen.

Während einer Infektion oder bei einer Entzündung wird mehr Lactoferrin vom Körper produziert. Die Synthese von Lactoferrin wird direkt oder indirekt von Östrogenen, Retinsäuren, Mitogenen oder von Wachstumsfaktoren reguliert (12). Deshalb ist es auch ein guter Marker für Infektionen oder auch für Krebs.

Dies alles bedeutet aber nicht, dass der geringe Anteil von Lactoferrin in Kuhmilch für den Menschen einen positiven physiologischen Effekt hätte. Vielmehr überwiegen die negativen Auswirkungen der vielen Hormone in Kuhmilch (siehe Fakten im Milchstreit). Ein gesunder Mensch kann eine ausreichende Menge an menschlichem Lactoferrin selber produzieren, deshalb ist es auch ein Bestandteil des Immunsystems.

Lactoferrin von Menschen

Die Konzentration von Lactoferrin in Menschenmilch liegt bei etwa 2 mg/ml (1).

Es ist schon lange bekannt, dass menschliches Lactoferrin gegen eine Reihe von Mikroorganismen wie Streptococcus, Salmonella, Shigella, Staphylococcus, Giardia, oder Enterobacter wirkt (3,8). Auch soll es vor der Ausbreitung bestimmter Krebszellen schützen können (1). Die Konzentration von Lactoferrin im Stuhl wird als Marker für beginnenden Darmkrebs, eine Darmschleimhautentzündung oder Morbus Crohn bestimmt (4).

Anteile
Gehalt von Lactoferrin in Kuhmilch und Menschenmilch (1).

 

Lactoferrin von Kühen

Lactoferrin von Kühen ist schon lange bekannt und wurde bereits 1978 in Japan vermarktet. Die Konzentration von Lactoferrin in Kuhmilch liegt zwischen 0,02 bis 0,2 mg/ml (9). Sie ist also bis um das 100- fache geringer als in Menschenmilch. Nur in Molke kann man von einer physiologisch wirksamen Menge ausgehen.

Seither wurden unzählige Tierversuche mit Bakterien, Viren und Krebserkrankungen gemacht. Leider ist es einfach zu publizieren, wenn man Tiere krank macht und dann mit Lactoferrin von Kühen behandelt. Das ist billig, erfordert keine geistigen Höchstleistungen und macht trotzdem viel Ruhm und Ehre. Aus diesen Gründen will ich darauf nicht weiter eingehen.

Kühe

Lactoferrin von Kamelen

Die Konzentration von Lactoferrin in Kamelmilch liegt etwa bei 0,5 mg/ml (10). Kamelmilch ist in der traditionellen Medizin im Nahen Osten sehr beliebt. So soll das Lactoferrin die Virus/Wirt Interaktion behindern und somit die Replikation bestimmter Viren erschweren. Dies konnte mit Lactoferrin aus Kamelmilch eindrucksvoll bei Hepatitis C (HCV) bewiesen werden (5). Ebenso kann Lactoferrin die Replikation des Hepatitis B-Virus, Herpes Simplex Virus (HSV), Human Immunodeficiency Virus (HIV), Adenoviren  und dem humanen Cytomegalovirus, verhindern (5).

Kamel
Trampeltier im Zoo Zürich

Darüber hinaus kann Lactoferrin das Wachstum von Krebszellen im Dickdarm behindern und soll sich positiv auf Diabetes Typ 1 auswirken (6).

 

Wirkung von Lactoferrin

Wirkung gegen Bakterien

Die antibakterielle Wirkung von Lactoferrin wird unter anderem auf seine Fähigkeit Eisen zu binden, zurückgeführt. So kann Lactoferrin bei Kontakt mit Bakterien diesen das Eisen entziehen und sie damit abtöten (7). Allerdings hat sich die letzten Jahre herausgestellt, dass der Mechanismus doch sehr komplex ist. Peptide von Lactoferrin binden zum Beispiel Lipopolysaccharide (LPS) an der Zelloberfläche von Bakterien und stören verschiedene Abläufe (8).  Es gibt Veröffentlichungen über die Wirksamkeit von Lactoferrin gegen  Bacillus subtilis,  Bifidobacterium breve, Bifidobacterium longum, Enterococcus faecalis, Escherichia coli, Porphyromonas gingivalis, Salmonella typhimurium, Shigella flexneri, Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus aureus,  Streptococcus mitis, Streptococcus gordoni, Streptococcus salivarius und Streptococcus mutans (1, 7, 8).

S. aureus und S. emidermidis.
Staphylococcus aureus und Staphylococcus emidermidis.

 

Wirkung gegen Protozoen

Lactoferrin kann gegen einige Protozoen wirken. Der Mechanismus hierfür soll aber ein anderer sein, als gegen Bakterien und gegen Pilze. So verhindert Lactoferrin nicht das Eindringen des Parasiten, sondern es verhindert die Vermehrung im Wirt (1). Speziell soll hier auf eine Studie hingewiesen werden, nach der Lactoferrin Giardia lamblia und Entamoeba histolytica  abtöten kann (8). Wie genau Lactoferrin wirkt, ist leider nicht bekannt.

Giardia
Giardia lamblia

 

Wirkung gegen Pilze

Auch hier wird vermutet, dass die anti-fungale Wirkung von Lactoferrin auf die Zerstörung der Zellmembran und der Bindung von Eisen zurückzuführen ist (1).

Wirkung gegen Viren

Wie genau Lactoferrin gegen Viren wirkt ist unbekannt. Da die virale Replikation aber generell an einer Zellmembran stattfindet, liegt die Vermutung nahe, dass Lactoferrin die Replikation in der Wirtszelle verhindert. Manche Viren werden vermutlich sogar direkt durch das Lactoferrrin am Eintritt in die Wirtszelle gehindert.  Es gibt Veröffentlichungen über die Wirksamkeit von Lactoferrin gegen das Herpes Simplex Virus (HSV), das Cytomegalovirus (CMV), das Feline Calicivirus (FCV), das Poliovirus (PV), das Hepatitis B und C Virus (HBV und HCV) und gegen das Human Immunodeficiency Virus (HIV) (1, 9).

Norovirus
Schematische Darstellung eines Norovirus

 

Lactoferrin und Immunabwehr

Neben den verschiedenen Körperflüssigkeiten wird die eisenfreie Form von Lactoferrin in den zytoplasmatischen sekundären Granula der Neutrophilen gespeichert. Bei einer Entzündung wird Lactoferrin freigegeben und die Konzentration an der Stelle der Entzündung steigt (1).
Lactoferrin wird auch von der Niere synthetisiert, unterstützt die Immunabwehr und die körpereigenen Immunzellen auf vielfältige Weise. Die Immunantwort, ausgelöst von Lactoferrin, soll unter anderem auch bei bestimmten Krebskrankheiten helfen. Zur Diagnostik von bestimmten Krankheiten gehört die Bestimmung des Lactoferringehaltes im Urin.

Lactoferrin bei Krebs

Die letzten 25 Jahre gab es über 1300 wissenschaftliche Veröffentlichungen und auch klinische Studien zu Lactoferrin. Ein großer Teil dieser Veröffentlichungen handelt von Lactoferrin bei verschiedenen Arten von Krebs. Es ist heute bekannt, dass sich etwa eine von sechs Krebserkrankungen aus einer Infektion entwickelt hat. Auch spielt die Unterdrückung von Infektionen eine große Rolle im Kampf gegen Krebs nach einer Chemotherapie oder einer Knochenmarktransplantation (12).

Es konnte nachgewiesen werden, dass von manchen Brustkrebszellen kein Lactoferrin mehr produziert werden kann und es wurde ein signifikanter Rückgang im Wachstum von Krebszellen bei Behandlung mit Lactoferrin festgestellt (12). Es gibt Studien zu toxischen Effekten von Lactoferrin auf verschiedene Zelllinien von folgenden Krebsarten: Leukämie, Brustkrebs bei Mensch und Hund, Plattenepithelkarzinome, Kopf-Hals-Krebszelllinien, Magenkrebs und Zungenkrebs (12).

Heute ist es anerkannt und bewiesen, dass Lactoferrin eine antikarzinogene Wirkung besitzt. Außerdem wurde die Verwendung in Kombination mit anderen Wirkstoffen als sehr wirkungsvoll beschrieben. Aus diesen Gründen wird heute viel geforscht, ein geeignetes Transportmittel für Lactoferrin zu finden, damit es möglichst schnell und unbeschadet zum Tumor gebracht werden kann.

Lactoferrin und Pflanzen

Tomate

Wird Lactoferrin in Pflanzen exprimiert, können Pflanzen gegen bestimmte Erreger resistent gemacht werden. So gibt es eine Reihe von Veröffentlichungen bei pilzlichen-, viralen- und bakteriellen Erregern (13). Auch ist schon lange bekannt, dass eine Molkedüngung Tomaten gegen einige Krankheiten toleranter macht.

Des weiteren wird heute Lactoferrin immer noch aus Kuhmilch von der Milchindustrie gewonnen. Lactoferrin von Kühen entspricht aber nur zu etwa 70% dem menschlichen Lactoferrin. Deshalb gibt es heute einige Ansätze menschliches Lactoferrin aus transgenen Pflanzen- oder auch aus Hefezellen zu gewinnen. Dieser Ansatz scheint vor allem für die Gewinnung von Lactoferrin für die Humanmedizin sinnvoll.

 

(1) Multifunctional Iron Bound Lactoferrin and Nanomedicinal Approaches to Enhance Its Bioactive Functions: Jagat R. Kanwar, Kislay Roy, Yogesh Patel, Shu-Feng Zhou, Manju Rawat Singh,Deependra Singh, Muhammad Nasir, Rakesh Sehgal, Alka Sehgal, Ram Sarup Singh,
Sanjay Garg, Rupinder K. Kanwar. Molecules. (2015)

(2) Effect of lactoferrin protein on red blood cells and macrophages: mechanism of parasite-host interaction: Anand N, Kanwar RK, Dubey ML, Vahishta RK, Sehgal R, Verma AK, Kanwar JR. Drug Des Devel Ther. (2015)

(3) Bactericidal activity of human lactoferrin: Sensitivity of a variety of microorganisms: Arnold RR, Brewer M, Gauthier JJ. Infect Immun. (1980)

(4) Immunochemical detection of human lactoferrin in feces as a new marker for inflammatory gastrointestinal disorders and colon cancer. Uchida K, Matsuse R, Tomita S, Sugi K, Saitoh O, Ohshiba S.Clin Biochem. (1994)

(5) Screening the anti infectivity potentials of native N- and C-lobes derived from the camel lactoferrin against hepatitis C virus: Redwan EM, El-Fakharany EM, Uversky VN, Linjawi MH. BMC Complement Altern Med. (2014)

(6) Camel milk lactoferrin reduces the proliferation of colorectal cancer cells and exerts antioxidant and DNA damage inhibitory activities: Hosam M. Habib, Wissam H. Ibrahim, Regine Schneider-Stock, Hassan M. Hassan. Food Chem. (2013)

(7) Damage of the outer membrane of enteric gram-negative bacteria by lactoferrin and transferrin: Ellison, R.T.; Giehl, T.J.; la Force, F.M. Infect. Immun. (1988)

(8) Effect of lactoferrin on enteric pathogens: Theresa J. Ochoaa and Thomas G. Cleary. Biochimie. (2009)

(9) The effect of bovine lactoferrin and lactoferricin B on the ability of feline calicivirus (a norovirus surrogate) and poliovirus to infect cell cultures: McCann KB1, Lee A, Wan J, Roginski H, Coventry MJ. J Appl Microbiol. (2003)

(10) Nano-encapsulation of isolated lactoferrin from camel milk by calcium alginate and evaluation of its release: Raei M, Rajabzadeh G, Zibaei S, Jafari SM, Sani AM.Int J Biol Macromol. (2015)

(11) Expression of recombinant Arabian camel lactoferricin-related peptide in Pichia pastoris and its antimicrobial identification: Mahmood Chahardooli,Ali Niazi, Farzaneh Aram, Seyye Mohsen Sohrabi. J Sci Food Agric. (2015)

(12) Anticancer effects of lactoferrin: underlying mechanisms and future trends in cancer therapy: Cristovao F Lima, and Ligia R Rodrigues. Nutrition Reviews (2014)

(13) Lactoferrin-Derived Resistance against Plant Pathogens in Transgenic Plants: Dilip K. Lakshman, Savithiry Natarajan, Sudhamoy Mandal, Amitava Mitra. Journal of Agricultural and Food Chemistry (2013)

 

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