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September 2015

Lactoferrin ist ein eisenbindendes Protein, das zuerst in der Milch gefunden wurde, deshalb sein Name. Inzwischen wurde es auch in exokrinen Sekreten und in Immunzellen (Neutrophilen Granulozyten) nachgewiesen. Viele Veröffentlichungen berichten über eine antimikrobielle und eine entzündungshemmende Aktivität von Lactoferrin und hiermit über seine Bedeutung bei der Abwehr von Infektionen und Entzündungen. Des weiteren gibt es viele Berichte über die antikarzinogene Wirkung von Lactoferrin (1,12).

Lactoferrin wird von allen Säugetieren in größeren Mengen produziert und ist je nach Tierart etwas unterschiedlich aufgebaut. Am besten untersucht ist das menschliche Lactoferrin, das etwa 70% Übereinstimmung mit Lactoferrin von anderen Spezies hat (2). Ebenfalls untersucht wurde das Lactoferrin von Kühen, Büffeln, Ziegen und von Kamelen.

Während einer Infektion oder bei einer Entzündung wird mehr Lactoferrin vom Körper produziert. Die Synthese von Lactoferrin wird direkt oder indirekt von Östrogenen, Retinsäuren, Mitogenen oder von Wachstumsfaktoren reguliert (12). Deshalb ist es auch ein guter Marker für Infektionen oder auch für Krebs.

Dies alles bedeutet aber nicht, dass der geringe Anteil von Lactoferrin in Kuhmilch für den Menschen einen positiven physiologischen Effekt hätte. Vielmehr überwiegen die negativen Auswirkungen der vielen Hormone in Kuhmilch (siehe Fakten im Milchstreit). Ein gesunder Mensch kann eine ausreichende Menge an menschlichem Lactoferrin selber produzieren, deshalb ist es auch ein Bestandteil des Immunsystems.

Lactoferrin von Menschen

Die Konzentration von Lactoferrin in Menschenmilch liegt bei etwa 2 mg/ml (1).

Es ist schon lange bekannt, dass menschliches Lactoferrin gegen eine Reihe von Mikroorganismen wie Streptococcus, Salmonella, Shigella, Staphylococcus, Giardia, oder Enterobacter wirkt (3,8). Auch soll es vor der Ausbreitung bestimmter Krebszellen schützen können (1). Die Konzentration von Lactoferrin im Stuhl wird als Marker für beginnenden Darmkrebs, eine Darmschleimhautentzündung oder Morbus Crohn bestimmt (4).

Anteile
Gehalt von Lactoferrin in Kuhmilch und Menschenmilch (1).

 

Lactoferrin von Kühen

Lactoferrin von Kühen ist schon lange bekannt und wurde bereits 1978 in Japan vermarktet. Die Konzentration von Lactoferrin in Kuhmilch liegt zwischen 0,02 bis 0,2 mg/ml (9). Sie ist also bis um das 100- fache geringer als in Menschenmilch. Nur in Molke kann man von einer physiologisch wirksamen Menge ausgehen.

Seither wurden unzählige Tierversuche mit Bakterien, Viren und Krebserkrankungen gemacht. Leider ist es einfach zu publizieren, wenn man Tiere krank macht und dann mit Lactoferrin von Kühen behandelt. Das ist billig, erfordert keine geistigen Höchstleistungen und macht trotzdem viel Ruhm und Ehre. Aus diesen Gründen will ich darauf nicht weiter eingehen.

Kühe

Lactoferrin von Kamelen

Die Konzentration von Lactoferrin in Kamelmilch liegt etwa bei 0,5 mg/ml (10). Kamelmilch ist in der traditionellen Medizin im Nahen Osten sehr beliebt. So soll das Lactoferrin die Virus/Wirt Interaktion behindern und somit die Replikation bestimmter Viren erschweren. Dies konnte mit Lactoferrin aus Kamelmilch eindrucksvoll bei Hepatitis C (HCV) bewiesen werden (5). Ebenso kann Lactoferrin die Replikation des Hepatitis B-Virus, Herpes Simplex Virus (HSV), Human Immunodeficiency Virus (HIV), Adenoviren  und dem humanen Cytomegalovirus, verhindern (5).

Kamel
Trampeltier im Zoo Zürich

Darüber hinaus kann Lactoferrin das Wachstum von Krebszellen im Dickdarm behindern und soll sich positiv auf Diabetes Typ 1 auswirken (6).

 

Wirkung von Lactoferrin

Wirkung gegen Bakterien

Die antibakterielle Wirkung von Lactoferrin wird unter anderem auf seine Fähigkeit Eisen zu binden, zurückgeführt. So kann Lactoferrin bei Kontakt mit Bakterien diesen das Eisen entziehen und sie damit abtöten (7). Allerdings hat sich die letzten Jahre herausgestellt, dass der Mechanismus doch sehr komplex ist. Peptide von Lactoferrin binden zum Beispiel Lipopolysaccharide (LPS) an der Zelloberfläche von Bakterien und stören verschiedene Abläufe (8).  Es gibt Veröffentlichungen über die Wirksamkeit von Lactoferrin gegen  Bacillus subtilis,  Bifidobacterium breve, Bifidobacterium longum, Enterococcus faecalis, Escherichia coli, Porphyromonas gingivalis, Salmonella typhimurium, Shigella flexneri, Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus aureus,  Streptococcus mitis, Streptococcus gordoni, Streptococcus salivarius und Streptococcus mutans (1, 7, 8).

S. aureus und S. emidermidis.
Staphylococcus aureus und Staphylococcus emidermidis.

 

Wirkung gegen Protozoen

Lactoferrin kann gegen einige Protozoen wirken. Der Mechanismus hierfür soll aber ein anderer sein, als gegen Bakterien und gegen Pilze. So verhindert Lactoferrin nicht das Eindringen des Parasiten, sondern es verhindert die Vermehrung im Wirt (1). Speziell soll hier auf eine Studie hingewiesen werden, nach der Lactoferrin Giardia lamblia und Entamoeba histolytica  abtöten kann (8). Wie genau Lactoferrin wirkt, ist leider nicht bekannt.

Giardia
Giardia lamblia

 

Wirkung gegen Pilze

Auch hier wird vermutet, dass die anti-fungale Wirkung von Lactoferrin auf die Zerstörung der Zellmembran und der Bindung von Eisen zurückzuführen ist (1).

Wirkung gegen Viren

Wie genau Lactoferrin gegen Viren wirkt ist unbekannt. Da die virale Replikation aber generell an einer Zellmembran stattfindet, liegt die Vermutung nahe, dass Lactoferrin die Replikation in der Wirtszelle verhindert. Manche Viren werden vermutlich sogar direkt durch das Lactoferrrin am Eintritt in die Wirtszelle gehindert.  Es gibt Veröffentlichungen über die Wirksamkeit von Lactoferrin gegen das Herpes Simplex Virus (HSV), das Cytomegalovirus (CMV), das Feline Calicivirus (FCV), das Poliovirus (PV), das Hepatitis B und C Virus (HBV und HCV) und gegen das Human Immunodeficiency Virus (HIV) (1, 9).

Norovirus
Schematische Darstellung eines Norovirus

 

Lactoferrin und Immunabwehr

Neben den verschiedenen Körperflüssigkeiten wird die eisenfreie Form von Lactoferrin in den zytoplasmatischen sekundären Granula der Neutrophilen gespeichert. Bei einer Entzündung wird Lactoferrin freigegeben und die Konzentration an der Stelle der Entzündung steigt (1).
Lactoferrin wird auch von der Niere synthetisiert, unterstützt die Immunabwehr und die körpereigenen Immunzellen auf vielfältige Weise. Die Immunantwort, ausgelöst von Lactoferrin, soll unter anderem auch bei bestimmten Krebskrankheiten helfen. Zur Diagnostik von bestimmten Krankheiten gehört die Bestimmung des Lactoferringehaltes im Urin.

Lactoferrin bei Krebs

Die letzten 25 Jahre gab es über 1300 wissenschaftliche Veröffentlichungen und auch klinische Studien zu Lactoferrin. Ein großer Teil dieser Veröffentlichungen handelt von Lactoferrin bei verschiedenen Arten von Krebs. Es ist heute bekannt, dass sich etwa eine von sechs Krebserkrankungen aus einer Infektion entwickelt hat. Auch spielt die Unterdrückung von Infektionen eine große Rolle im Kampf gegen Krebs nach einer Chemotherapie oder einer Knochenmarktransplantation (12).

Es konnte nachgewiesen werden, dass von manchen Brustkrebszellen kein Lactoferrin mehr produziert werden kann und es wurde ein signifikanter Rückgang im Wachstum von Krebszellen bei Behandlung mit Lactoferrin festgestellt (12). Es gibt Studien zu toxischen Effekten von Lactoferrin auf verschiedene Zelllinien von folgenden Krebsarten: Leukämie, Brustkrebs bei Mensch und Hund, Plattenepithelkarzinome, Kopf-Hals-Krebszelllinien, Magenkrebs und Zungenkrebs (12).

Heute ist es anerkannt und bewiesen, dass Lactoferrin eine antikarzinogene Wirkung besitzt. Außerdem wurde die Verwendung in Kombination mit anderen Wirkstoffen als sehr wirkungsvoll beschrieben. Aus diesen Gründen wird heute viel geforscht, ein geeignetes Transportmittel für Lactoferrin zu finden, damit es möglichst schnell und unbeschadet zum Tumor gebracht werden kann.

Lactoferrin und Pflanzen

Tomate

Wird Lactoferrin in Pflanzen exprimiert, können Pflanzen gegen bestimmte Erreger resistent gemacht werden. So gibt es eine Reihe von Veröffentlichungen bei pilzlichen-, viralen- und bakteriellen Erregern (13). Auch ist schon lange bekannt, dass eine Molkedüngung Tomaten gegen einige Krankheiten toleranter macht.

Des weiteren wird heute Lactoferrin immer noch aus Kuhmilch von der Milchindustrie gewonnen. Lactoferrin von Kühen entspricht aber nur zu etwa 70% dem menschlichen Lactoferrin. Deshalb gibt es heute einige Ansätze menschliches Lactoferrin aus transgenen Pflanzen- oder auch aus Hefezellen zu gewinnen. Dieser Ansatz scheint vor allem für die Gewinnung von Lactoferrin für die Humanmedizin sinnvoll.

 

(1) Multifunctional Iron Bound Lactoferrin and Nanomedicinal Approaches to Enhance Its Bioactive Functions: Jagat R. Kanwar, Kislay Roy, Yogesh Patel, Shu-Feng Zhou, Manju Rawat Singh,Deependra Singh, Muhammad Nasir, Rakesh Sehgal, Alka Sehgal, Ram Sarup Singh,
Sanjay Garg, Rupinder K. Kanwar. Molecules. (2015)

(2) Effect of lactoferrin protein on red blood cells and macrophages: mechanism of parasite-host interaction: Anand N, Kanwar RK, Dubey ML, Vahishta RK, Sehgal R, Verma AK, Kanwar JR. Drug Des Devel Ther. (2015)

(3) Bactericidal activity of human lactoferrin: Sensitivity of a variety of microorganisms: Arnold RR, Brewer M, Gauthier JJ. Infect Immun. (1980)

(4) Immunochemical detection of human lactoferrin in feces as a new marker for inflammatory gastrointestinal disorders and colon cancer. Uchida K, Matsuse R, Tomita S, Sugi K, Saitoh O, Ohshiba S.Clin Biochem. (1994)

(5) Screening the anti infectivity potentials of native N- and C-lobes derived from the camel lactoferrin against hepatitis C virus: Redwan EM, El-Fakharany EM, Uversky VN, Linjawi MH. BMC Complement Altern Med. (2014)

(6) Camel milk lactoferrin reduces the proliferation of colorectal cancer cells and exerts antioxidant and DNA damage inhibitory activities: Hosam M. Habib, Wissam H. Ibrahim, Regine Schneider-Stock, Hassan M. Hassan. Food Chem. (2013)

(7) Damage of the outer membrane of enteric gram-negative bacteria by lactoferrin and transferrin: Ellison, R.T.; Giehl, T.J.; la Force, F.M. Infect. Immun. (1988)

(8) Effect of lactoferrin on enteric pathogens: Theresa J. Ochoaa and Thomas G. Cleary. Biochimie. (2009)

(9) The effect of bovine lactoferrin and lactoferricin B on the ability of feline calicivirus (a norovirus surrogate) and poliovirus to infect cell cultures: McCann KB1, Lee A, Wan J, Roginski H, Coventry MJ. J Appl Microbiol. (2003)

(10) Nano-encapsulation of isolated lactoferrin from camel milk by calcium alginate and evaluation of its release: Raei M, Rajabzadeh G, Zibaei S, Jafari SM, Sani AM.Int J Biol Macromol. (2015)

(11) Expression of recombinant Arabian camel lactoferricin-related peptide in Pichia pastoris and its antimicrobial identification: Mahmood Chahardooli,Ali Niazi, Farzaneh Aram, Seyye Mohsen Sohrabi. J Sci Food Agric. (2015)

(12) Anticancer effects of lactoferrin: underlying mechanisms and future trends in cancer therapy: Cristovao F Lima, and Ligia R Rodrigues. Nutrition Reviews (2014)

(13) Lactoferrin-Derived Resistance against Plant Pathogens in Transgenic Plants: Dilip K. Lakshman, Savithiry Natarajan, Sudhamoy Mandal, Amitava Mitra. Journal of Agricultural and Food Chemistry (2013)

 

Text und Fotos dürfen unter den Bedingungen der Creative Commons Attribution Share-Alike license (CC-BY-SA) gerne ganz oder teilweise kopiert und zitiert werden.

2

Oktober 2013

Elektronenmikroskop Aufnahme von Dr. Graham Beards

Phagen als Retter bei Antibiotikaresistenzen

Phagen sind schon sehr lange bekannt und wurden von Frederick Twort im Jahre 1915 und später von Felix d'Herelle 1917 entdeckt. Felix d'Herelle hat schon 1920 in Paris Phagen zur Heilung von Patienten erprobt. Lange vor der Anwendung von Penicillin. Es folgten hunderte von Veröffentlichungen über erfolgreiche Heilungen mit Phagen und Pharmakonzerne wie Eli Lilly and Company, E.R. Squibb & Sons, and Swan- Myers/Abbott begannen Therapien zu entwickeln. Dies alles wurde dann durch den Höhenflug der Antibiotika abrupt gestoppt. (1)

Phagen gerieten im Westen in Vergessenheit, aber nicht in der ehemaligen Sowjetunion. Eine Hochburg der Phagenforschung und auch der Anwendung zur Therapie ist Georgien. Dort befindet sich seit 1923 das von Professor George Eliava gegründete hoch angesehene Eliava Institut.

Eliava

 

Bakteriophagen

Phagen sind Viren von Bakterien und auf ein Bakterium kommen mengenmäßig 10 Phagen. Damit hat jeder Bakterienstamm seit Jahrmillionen mit seinen eigenen spezifischen Viren zu kämpfen, denn Phagen sind sehr wirtsspezifisch. Natürlich haben auch Bakterien ein Immunsystem, so befinden wir uns ein einem andauernden Wettlauf der Evolution von Bakterien gegen Phagen.

Ja, wir befinden uns mittendrin. Unser Körper hat etwa 30 Billionen Zellen, auf eine menschliche Zelle kommt etwa eine Bakterie, das macht dann 300 Billionen Phagen pro Mensch, also 300.000.000.000.000 Stück (2+28).

 

Es gibt es somit eine unerforschte Unmenge an verschiedenen Phagen, da es ja auch Unmengen an verschiedene, zum Teil unerforschten Bakterien gibt. Am besten erforscht sind Phagen von Escherichia coli, sogenannte T4-Phagen und Lambda-Phagen (Phage λ). Dies hat damit zu tun, dass E. coli, das sogenannte Haustier von Biologen, sich relativ einfach im Reagenzglas halten lässt und im Normalfall für den Menschen harmlos ist. Phagen sind zwischen 20 – 200 nm gross. Der relativ grosse T4 Phage ist mit 200 nm einer der Grossen. E. coli ist im Vergleich dazu 0.5 μm x 2 μm, also 500 x 2000 nm gross.

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Ein Phage injiziert sein Genom aus DNA oder RNA in eine Bakterienzelle.

Phagentherapie

Phagen werden schon seit den 1920er Jahren zur Heilung von Patienten eingesetzt, man spricht von einer Phagentherapie. Über diese gibt es leider fast nur Veröffentlichungen in Russischer Sprache. Das Eliava Institut, das ohne Zweifel die längste Erfahrung in der Phagentherapie hat, meldet Erfolgsraten zwischen 67% bei Lungeninfektionen, bis zu 100% bei Entzündungen des Knochenmarks (Osteomyelitis) (27). Das einzige Europäische Institut das sich mit der Phagentherapie auseinandersetzt ist das Ludwik Hirszfeld Institute in Wrocław, Polen.

Hier ist eine Liste der wichtigsten Studien zur Phagentherapie aus Polen und den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion nach Alexander Sulakvelidze und Andrzej Gorski (3+22).

Tabelle 1 Wichtige Studien zur Phagentherapie nach Sulakvelidze und  Gorski (3+22)
Autor Infektion Bakterienstamm Kommentare
Babalova et al. (4) Bakterielle Ruhr Shigella Shigella Phagen wurden erfolgreich zur Prophylaxe von bakterieller Ruhr eingesetzt.
Bogovazova et al. (5) Infektionen der Haut und Nasenschleimhaut K. ozaenae, K. rhinoscleromatis und K. pneumoniae Phagen wurden bei der Behandlung von Klebsiella Infektionen bei allen 109 Patienten erfolgreich eingesetzt.
Cislo et al. (6) Eitrige Infektionen der Haut Pseudomonas, Staphylococcus, Klebsiella, Proteus und E. coli 31 Patienten mit chronisch infizierten Hautgeschwüren wurden oral und lokal mit Phagen behandelt. Die Erfolgsrate lag bei 74%.
Ioseliani et al. (7) Infektionen von Lunge und Brustfell Staphylococcus, Streptococcus, E. coli und Proteus Bei 45 Patienten wurden Phagen zusammen mit Antibiotika erfolgreich zur Heilung von Lungen- und Brustfell- Infektionen eingesetzt .
Kochetkova et al. (8) Postoperative Wundinfektionen bei Krebspatienten Staphylococcus und Pseudomonas Insgesamt 131 Krebspatienten mit postoperativen Wundinfektionen nahmen an der Studie teil. Davon erhielten 65 Patienten Phagen und 66 erhielten Antibiotika. Die Phagen-Behandlung war in 82% und die Antibiotika-Behandlung in 61% der Fälle erfolgreich.
Kucharewicz-Krukowska and Slopek (9) Verschiedene Infektionen Staphylococcus, Klebsiella, E. coli, Pseudomonas und Proteus Immunogenität von therapeutischen Phagen wurde bei 57 Patienten analysiert. Die Autoren folgerten, dass die Immunogenität eine Phagentherapie nicht behindern .
Kwarcinski et al. (10) Wiederkehrender subphrenischer Abszess E. coli Ein wiederkehrender subphrenische Abszess (nach Magenresektion), der durch einen Antibiotikaresistenten Stamm von E. coli verursacht wurde, konnte erfolgreich mit Phagen behandelt werden.
Litvinova et al. (11) Bakterielle Darmentzündung E. coli und Proteus Phagen wurden erfolgreich zusammen mit Bifidobakterien eingesetzt, um eine Antibiotika-assoziierte Darmentzündung bei 500 Säuglingen zu behandeln.
Meladze et al. (12) Infektionen von Lunge und Brustfell Staphylococcus 223 Patienten mit Infektionen von Lunge und Brustfell wurden mit Phagen behandelt und 117 Patienten mit Infektionen wurden mit Antibiotika behandelt. Eine vollständige Erholung wurde in 82% der Patienten in der Phagen Gruppe beobachtet und 64% in der Gruppe der Patienten mit der Antibiotika Behandlung.
Miliutina and Vorotyntseva (13) Bakterielle Ruhr und Salmonellose Shigella  und Salmonella Die Wirksamkeit der Behandlung von Salmonellose mit Phagen und eine Kombination von Phagen und Antibiotika wurde untersucht.
Perepanova et al. (14) Entzündliche urologische Krankheiten Staphylococcus, E. coli, und Proteus Die Phagen wurden verwendet, um akute und chronische urogenitale Entzündung bei 46 Patienten zu behandeln. In 92% der Fälle wurde eine Verbesserung festgestellt.
Sakandelidze and Meipariani (15) Peritonitis, Osteomyelitis, Lungenabszesse und postoperativen Wundinfektionen Staphylococcus, Streptococcus und Proteus Die Behandlung mit Phagen konnte 217 von 236 Patienten mit Antibiotika resistenten Infektionen heilen. Die Heilungsrate war 92%.
Sakandelidze (16) Infektiöse Rhinitis, Pharyngitis, Dermatitis und Konjunktivitis Staphylococcus, Streptococcus, E. coli, Proteus, enterococci und P. aeruginosa Insgesamt 1.380 Patienten mit infektiösen Allergosen wurden mit Phagen (360 Patienten), Antibiotika (404 Patienten) oder eine Kombination von Phagen und Antibiotika (576 Patienten) behandelt. Klinische Besserung wurde in 86%, 48% und 83% der Fälle beobachtet.
Slopek et al. (17) Infektionen von Magen-Darm-Trakt, Haut, Kopf und Hals. Staphylococcus, Pseudomonas, E. coli, Klebsiella und Salmonella Insgesamt 550 Patienten wurden mit Phagen behandelt. Die Erfolgsquote der Phagen Behandlung betrug 92%.
Stroj et al. (18) Bakterielle Meningitis K. pneumoniae Oral verabreichte Phagen wurden erfolgreich gegen Meningitis bei einem Neugeborenen eingesetzt (nach erfolgloser Antibiotika-Therapie).
Tolkacheva et al. (19) Bakterielle Ruhr E. coli und Proteus Phagen wurden zusammen mit Bifidobakterien verwendet, um bakterielle Ruhr in 59 immunsupprimierten Leukämiepatienten zu behandeln. Es wird von einer Überlegenheit der Behandlung mit den Phagen-Bifidobakterien gegenüber Antibiotika berichtet.
Weber-Dabrowska et al. (20) Eitrige Infektionen Staphylococcus und verschiedene gram-negative Bakterien Oral verabreichte Phagen wurden erfolgreich verwendet, um 56 Patienten zu behandeln.
Zhukov-Verezhnikov et al. (21) Eitrige chirurgischen Infektionen Staphylococcus, Streptococcus, E. coli und Proteus Die Überlegenheit angepasster Phagen (Phagen die gegen Bakterienstämme von einzelnen Patienten isoliert wurden) über kommerzielle Phagen wurde gezeigt. Es wurden 60 Patienten mit eitrigen Infektionen behandelt.
Bruttin und Brussow (24)
 Studie zur Bioverfügbarkeit und Sicherheit bei der Verabreichung von Phagen.  E. coli Fünfzehn Probanden erhielten zwei Dosen von T4-Phagen oder Placebo in Trinkwasser. Weder Nebenwirkungen noch signifikante Veränderung konnten nach der Anwendung beobachtet werden. Phagen wurden im Stuhl von allen Probanden je nach verabreichter Dosis gefunden.

Wright et al. (25)

Chronische Ohrenentzündungen.
P. aeruginosa   Zwölf Patienten mit Otitis media verursacht durch Antibiotika-resistente
P. aeruginosa wurde eine Mischung aus sechs Phagen und weiteren 12 Patienten wurde ein Placebo verabreicht. Es wurde eine signifikante Reduktion der klinischen Symptome am Tag 42 in den Bakteriophagen-behandelten Gruppe gegenüber der Kontrollgruppe festgestellt. Es gab eine 76% ige Abnahme der mittleren Anzahl von Bakterien in den Ohren der Patienten 6 Wochen nach der Phagen Anwendung, während in der Kontrollgruppe eine kleine Erhöhung (9%) in der Keimzahl beobachtet wurde. Keine Nebenwirkungen nach der Anwendung von Phagen-Präparate wurden beobachtet.

Rhoads
et al. (26)

Studie über die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung von einem "offenen Bein" (Ulcus cruris) P. aeruginosa, S. aureus und E. coli  Es wurde ein ein Cocktail aus acht lytischen Bakteriophagen, entwickelt von Intralytix Inc., verwendet.Die Anwendung bei Patienten mit Ulcus cruris dauerte etwa 30 Tagen. Die Phagen Behandlung hatte keine wesentliche Auswirkung auf die Heilung der Geschwüre aber auch keine anderen unerwünschten Nebenwirkungen.

Phagen sind sehr spezifisch, das heißt, dass man sehr gezielt gegen einen Bakterienstamm vorgehen kann, ohne gleich die ganze Flora zu vernichten. Auch sind Phagen noch sehr wirksam gegen Antibiotika resistente Bakterien. Es gibt eine ganze Reihe aktueller Veröffentlichungen, die die Wirksamkeit von Phagen belegen (22).

In Wrocław (Polen) wurde schon 1948 von Professor Ludwik Hirszfeld eine Sammlung von klinisch wirksamen Phagen angelegt. Heute hat das Institut für Immunologie und Experimental Therapie (IIET) durch eine Reihe weltweiter Kooperationen eine grosse Sammlung, von der ich den Stand laut Herrn Professor Gorski im Mai 2011 hier aufführe (22).

Tabelle 2 Bakteriophagen vom IIET laut Andrzej Gorski (22)
Bakterien Wirt Anzahl der Phagen Stämme
Escherichia coli 121
Klebsiella pneumoniae und Klebsiella oxytoca 95
Enterococcus faecalis und Enterococcus faecium 73
Enterobacter cloacae 48
Shigella flexneri or Shigella sonnei 39
Citrobacter freundii 38
Pseudomonas aeruginosa und Pseudomonas fluorescens 37
Salmonella enteritidis und Salmonella typhimurium 32
Stenotrophomonas maltophilia 18
Serratia marcescens und Serratia liquefaciens 17
Proteus mirabilis 17
Morganella morganii 14
Staphylococcus aureus 7
Acinetobacter baumannii 5
Burkholderia cepacia 2

Eine Liste der Sammlung vom Eliava Institut gibt's hier: eliava-institute.org

 

Phage

 

Diskussion

Der Antiobiotika-Missbrauch, vor allem von der Fleischindustrie, hat viele Antibiotika nutzlos gegen eine immer grössere Anzahl von Bakterien gemacht. Leider hat die Fleischindustrie schon länger Phagen für sich entdeckt und in den USA hat die FDA seit 2006 genehmigt, dass Fleisch mit Phagen besprüht werden darf. Dies ist, obwohl es für den Verbraucher erst mal ungefährlich ist, kritisch zu betrachten.

Nirgendwo spielt sich die Evolution schneller ab als zwischen Phagen und Bakterien. Es sind inzwischen drei Mechanismen bekannt, mit denen sich Bakterien gegen eine Viruskrankheit wehren können. Deshalb werden sich auch Resistenzen der Bakterien gegen Phagen entwickeln. Allerdings wird dies langsamer geschehen als bei Antibiotika, da Phagen als ein Teil der Evolution sich ständig selbst anpassen und weiterentwickeln. Manche Forscher meinen, dass sich solche Resistenzen etwa 10 Mal langsamer entwickeln als die Antibiotikaresistenzen (23).

Die reinen marktwirtschaftlichen Aspekte, die bei Antibiotika eine Rolle spielen, treffen noch viel mehr auf die Phagen zu.  Es wird also nur das entwickelt, was viel Geld einbringt. Für die pharmazeutische Industrie bedeutet dies bei Bakteriophagen:

  • Hohe Kosten bei der Entwicklung von spezifischen Phagencocktails.
  • Keine Patente auf Phagen möglich.
  • Kurze Nutzungsdauer für den Konzern nach der Entwicklung von spezifischen Phagencocktails.
  • Auf Dauer kein Gewinn.

Aus diesen Gründen müsste die Entwicklung und Produktion von Bakteriophagen zur Heilung von Menschen ähnlich wie im Orphan Drug Act geregelt werden. Nur so kann eine Therapie, auch von weniger reichen Menschen, oder von Menschen mit seltenen Krankheiten, sichergestellt werden.

Phage_S-PM2
(Hans-Wolfgang Ackermann) — The Third Age of Phage. Mann NH, PLoS Biology Vol. 3/5/2005, e182 doi:10.1371/journal.pbio.0030182

 

 

 

 

Aktuelle weiterführende Veröffentlichungen jenseits der Englischen Fachliteratur gibt es hier:

 http://hmjaag.de/phagenlinks/

 

 

(1) Safety by Nature: Potential Bacteriophage Applications. Alexander Sulakvelidze. American Society for Microbiology. (2009)

(2) The phage-host arms race: Shaping the evolution of microbes. Adi Stern, Rotem Sorek. BioEssays. (2011)

(3) Bacteriophage Therapy: Alexander Sulakvelidze, Zemphira Alavidze, J. Glenn Morris Jr. Antimicrob. Agents Chemother. (2001)

(4) Preventive value of dried dysentery bacteriophage: Babalova EG, Katsitadze KT, Sakvarelidze LA, Imnaishvili NSh, Sharashidze TG, Badashvili VA, Kiknadze GP, Meĭpariani AN, Gendzekhadze ND, Machavariani EV, Gogoberidze KL, Gozalov EI, Dekanosidze NG. Zh. Mikrobiol Epidemiol Immunobiol. (1968)

(5) Immunobiological properties and therapeutic effectiveness of preparations from Klebsiella bacteriophages. Bogovazova GG, Voroshilova NN, Bondarenko VM, Gorbatkova GA, Afanas'eva EV, Kazakova TB, Smirnov VD, Mamleeva AG, Glukharev IuA, Erastova EI, et al. Zh Mikrobiol Epidemiol Immunobiol. (1992)

(6) Bacteriophage treatment of suppurative skin infections. Cisło M, Dabrowski M, Weber-Dabrowska B, Woytoń A. Arch Immunol Ther Exp (Warsz). (1987)

(7) Use of bacteriophage and antibiotics for prevention of acute postoperative empyema in chronic suppurative lung diseases. Ioseliani G. D., Meladze G. D., Chkhetiia N. S., Mebuke M. G., Kiknadze N. I. Grudn. Khir. (1980)

(8) Phagotherapy of postoperative suppurative-inflammatory complications in patients with neoplasms. Kochetkova V. A., Mamontov A. S., Moskovtseva R. L., Erastova E. I., Trofimov E. I., Popov M. I., Dzhubalieva S. K. Sov. Med. (1989)

(9) Immunogenic effect of bacteriophage in patients subjected to phage therapy. Kucharewicz-Krukowska A., Slopek S. Arch. Immunol. Ther. Exp. (1987)

(10) Bacteriophage therapy in the treatment of recurrent subphrenic and subhepatic abscess with jejunal fistula after stomach resection. Kwarcinski W., Lazarkiewicz B., Weber-Dabrowska B., Rudnicki J., Kaminski K., Sciebura M. Pol. Tyg. Lek. (1994)

(11) Evaluation of efficacy of the use of E. coli-Proteus bacteriophage in intestinal dysbacteriosis in premature infants. Litvinova A. M., Chtetsova V. M., Kavtreva I. G. Vopr. Okhr. Materin. Det. (1978)

(12) The efficacy of staphylococcal bacteriophage in treatment of purulent diseases of lungs and pleura. Meladze G. D., Mebuke M. G., Chkhetia N. S., Kiknadze N. I., Koguashvili G. G., Timoshuk I. I., Larionova N. G., Vasadze G. K. Grudn. Khir. (1982)

(13) Current strategy and tactics of etiotropic therapy of acute intestinal infections in children. Miliutina L. N., Vorotyntseva N. V Antibiot. Khimioter. (1993)

(14) Treatment of wounds with bacteriophages. Pokrovskaya M. P., Kaganova L. C., Morosenko M. A., Bulgakova A. G., Skatsenko E. E. State Publishing House “Medgiz,” Moscow, USSR (1942)

(15) Use of combined phages in suppurative-inflammatory diseases. Sakandelidze V. M., Meipariani A. N. Zh. Mikrobiol. Epidemiol. Immunobiol. (1974)

(16) The combined use of specific phages and antibiotics in different infectious allergoses. Sakandelidze V. M. Vrach. Delo (1991)

(17) Results of bacteriophage treatment of suppurative bacterial infections in the years 1981–1986. Slopek S., Weber-Dabrowska B., Dabrowski M., Kucharewicz-Krukowska A. Arch. Immunol. Ther. Exp. (1987)

(18) Successful treatment with bacteriophage in purulent cerebrospinal meningitis in a newborn.Stroj L., Weber-Dabrowska B., Partyka K., Mulczyk M., Wojcik M. Neurol. Neurochir.(1999)

(19) Correction of intestinal dysbacteriosis with biological preparations in acute leukemia. Tolkacheva T. V., Abakumov E. M., Martynova V. A., Golosova T. V. Probl. Gematol. Pereliv. Krovi (1981)

(20) Studies on bacteriophage penetration in patients subjected to phage therapy. Weber-Dabrowska B., Dabrowski M., Slopek S. Arch. Immunol. Ther. Exp. (1987)

(21) A study of the therapeutic effect of bacteriophage agents in a complex treatment of suppurative surgical diseases. Zhukov-Verezhnikov N. N., Peremitina L. D., Berillo E. A., Komissarov V. P., Bardymov V. M., Khvoles A. G., Ugryumov L. B. Sov. Med. (1978)

(22) Clinical aspects of phage therapy. Międzybrodzki R, Borysowski J, Weber-Dąbrowska B, Fortuna W, Letkiewicz S, Szufnarowski K, Pawełczyk Z, Rogóż P, Kłak M, Wojtasik E, Górski A. Adv Virus Res. (2012)

(23) Phage therapy: past history and future prospects. Carlton R. M. Arch. Immunol. Ther. Exp. (1999)

(24) Human volunteers receiving Escherichia coli phage T4 orally: A safety test of phage therapy. Bruttin, A., and Bru ̈ssow, H. Antimicrob. Agents Chemother. (2005)

(25) A controlled clinical trial of a therapeutic bacteriophage preparation in chronic otitis due to antibiotic-resistant Pseudomonas aeruginosa. Wright, A., Hawkins, C. H., Angga ̊rd, E. E., and Harper, D. R. Clin. Otolaryngol. (2009)

(26) Bacteriophage therapy of venous leg ulcers in humans: Results of a phase I safety trial. Rhoads, D. D., Wolcott, R. D., Kuskowski, M. A., Wolcott, B. M., Ward, L. S., and Sulakvelidze, A.J. Wound Care (2009)

(27) Bacteriophages as potential new therapeutics to replace or supplement antibiotics. Kutateladze, M., and Adamia, R. Trends Biotechnol. (2010).

(28) Revised estimates for the number of human and bacteria cells in the body. Ron Sender, Shai Fuchs, Ron Milo. Biorxiv (2016).

 

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